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Verhaltensforscherin und Neurobiologe gewinnen den Förderpreis des Deutschen Primatenzentrums

Lydia Luncz überzeugt mit Erkenntnissen zur Kultur von Schimpansen und Stefan Schaffelhofer mit Untersuchungen zur Steuerung von Handbewegungen
Ein Rhesusaffe (Macaca mulatta) in der Primatenhaltung am DPZ. Foto: Karin Tilch
Ein Schimpanse knackt eine Nuss mit einem Stein als Werkzeug. Foto: Mark Linfield
Ein Schimpanse knackt eine Nuss mit einem Stein als Werkzeug. Foto: Mark Linfield
Lydia Luncz erhält für ihre Erkenntnisse zur Kultur von Schimpansen den DPZ-Förderpreis. Foto: MPI EVA
Lydia Luncz erhält für ihre Erkenntnisse zur Kultur von Schimpansen den DPZ-Förderpreis. Foto: MPI EVA
Stefan Schaffelhofer bereitet das Setup für Greifversuche mit einem Datenhandschuh und einem Objektkarussell vor. Für seine Untersuchungen zu Handbewegungen bei Primaten wird er mit dem Förderpreis 2014 ausgezeichnet. Foto: Thomas Steuer
Stefan Schaffelhofer bereitet das Setup für Greifversuche mit einem Datenhandschuh und einem Objektkarussell vor. Für seine Untersuchungen zu Handbewegungen bei Primaten wird er mit dem Förderpreis 2014 ausgezeichnet. Foto: Thomas Steuer

Der Förderpreis des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) wird jedes Jahr an herausragende Nachwuchswissenschaftler verliehen, die über oder mit Affen forschen. Er ist mit einem sechsmonatigen Stipendium an einem Forschungsinstitut eigener Wahl und einem Geldbetrag in Höhe von 1000 Euro dotiert. In diesem Jahr wird der Preis geteilt, Lydia Luncz vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Stefan Schaffelhofer vom DPZ in Göttingen erhalten jeweils ein dreimonatiges Stipendium, um ein primatenbezogenes Forschungsprojekt durchzuführen. Die Preisverleihung mit Vorträgen der Preisträger findet am 7. Januar 2015 um 18:15 Uhr im Hörsaal des Deutschen Primatenzentrums, Kellnerweg 4, in Göttingen statt. Die Vorträge werden in englischer Sprache gehalten. Besucher sind herzlich zu der Veranstaltung eingeladen.

Nicht nur der Mensch, auch Schimpansen haben Kultur, sie können sozial erlerntes Wissen weitergeben. Wie genau das geschieht, wollte Lydia Luncz, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, im Rahmen ihrer Doktorarbeit herausfinden. Sie hat die kulturellen Fähigkeiten von drei benachbarten Schimpansengruppen im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste untersucht.

So können alle Schimpansen Nüsse knacken, aber wie sie dabei vorgehen und welches Werkzeug sie dazu benutzen, unterscheidet sich von Gruppe zu Gruppe. Das Erstaunliche war, dass es große Unterschiede im erlernten Verhalten gibt, obwohl die Gruppen unter vergleichbaren ökologischen Bedingungen leben. Das Verhalten muss also unabhängig von den Lebensraumbedingungen entstanden sein. Zudem wandern einzelne Weibchen regelmäßig in Nachbargruppen ab, sie könnten also ihr kulturelles Wissen in die neue Gruppe einbringen. Dies geschieht aber nicht, die Einwanderinnen passen sich sehr schnell an die kulturellen Normen ihrer neuen Gruppe an und übernehmen diese. Dank Lunczs Studien können nun die Ursachen und Mechanismen der konservativen Weitergabe von kulturellem Wissen erforscht werden, die zu einer stabilen und langanhaltenden Diversität zwischen Nachbarn führen.

Ein Glas Wasser vom Tisch nehmen – eine triviale, einfache Handlung, die schon Kleinkinder beherrschen. Die Prozesse im Gehirn allerdings, die diese Handlung ermöglichen, sind äußerst komplex. Die Augen müssen die Form des Zielobjekts erfassen und diese Information an die richtige Stelle im Gehirn melden. Dieses muss dann berechnen, welche Muskeln bewegt werden müssen, um die Hand so zu formen, dass der Gegenstand ergriffen werden kann. Anschließend müssen die Finger den richtigen Druck aufwenden, um das Glas sicher zu halten und dabei nicht zu zerdrücken. Im Gehirn von Primaten sind drei miteinander vernetzte Bereiche identifiziert worden, die jene Aufgabe meistern. Diese Areale liegen in der Großhirnrinde und werden als AIP, F5 und M1 bezeichnet.

Stefan Schaffelhofer, Wissenschaftler in der Abteilung Neurobiologie am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, wollte die visuo-motorischen Prozesse dieser Regionen besser verstehen und visualisieren. Dazu hat er im Rahmen seiner Doktorarbeit Rhesusaffen darauf trainiert, 50 verschiedene Objekte zu betrachten und anschließend zu greifen. Dabei wurden die Bewegungen der Hand und die Aktivität von bis zu 300 Gehirnzellen simultan aufgezeichnet. Es stellte sich heraus, dass die Nervenzellen der Region AIP vor allem visuelle Eigenschaften von Objekten kodieren, also Form und Größe. Im Areal F5 wird dagegen die Bewegung geplant und es werden wichtige Motoreigenschaften verarbeitet, wie die Orientierung oder Öffnung der Hand. Das dritte Areal M1 ist hauptsächlich bei der Bewegungsausführung aktiv. Mit einer detaillierten Beschreibung dieser gleichzeitig untersuchten Gehirnareale konnte Stefan Schaffelhofer dazu beitragen, die Übersetzung von physikalischen Objekteigenschaften in entsprechende Motorbefehle der Hand besser zu verstehen. Dieses Wissen ist essentiell, wenn man Roboterhände oder Handprothesen entwickeln will.

„Frau Luncz und Herr Schaffelhofer haben wissenschaftlich herausragende Arbeiten durchgeführt, wenn auch in sehr unterschiedlichen Teilbereichen der Primatenforschung“, begründete der Wissenschaftliche Beirat des DPZ seine Wahl. Die Mitglieder des extern besetzten Wissenschaftlichen Beirats des DPZ wählen die Preisträger aus. Der DPZ-Förderpreis ist einer der höchstdotierten Preise für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland. Er wird vom Förderkreis des DPZ verliehen, einem gemeinnützigen Verein, der die Forschung über und mit Primaten unterstützt und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fördert.

Das Programm finden Sie in unserem Veranstaltungskalender. Mehr Informationen über den DPZ-Förderpreis finden Sie unter: www.dpz.eu/foerderpreis.