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Forschung der Abteilung Kognitive Neurowissenschaften

Bewegungsdiskriminierung und Aufmerksamkeit

Die Umwelt in der wir leben präzise wahrzunehmen um passen reagieren zu können, ist eine der Hauptaufgaben des Gehirns. Wir erforschen diese Fähigkeit am Beispiel der Wahrnehmung von visuellen Bewegungen.

Dazu haben wir Computer-basierte Tests entwickelt, bei denen Menschen oder Affen die genaue Richtung einer Bewegung unterscheiden müssen.

Da unsere Sehfähigkeit entscheidend davon abhängt, ob und wohin wir unsere Aufmerksamkeit ausrichten, vergleichen wir die Sehfähigkeiten in Aufgaben bei denen die Bewegungen entweder alleine oder mit anderen Reizen präsentiert werden.

Die drei unten gezeigten experimentellen Bedingungen A, B und C sollen drei typische Situationen veranschaulichen, in denen die Bewegung eines Stimulus unterschieden werden muss, wenn:

  • der Stimulus isoliert ist (A);
  • der Stimulus von Distraktoren umgeben ist und unklar ist welcher der wichtige Reiz ist (B);
  • der Stimulus von Distraktoren umgeben ist, aber ein räumlicher Hinweis (rote Pfeilspitze) die Position des wichtigen Reizes anzeigt (C).

Videospiel für Psychophysik

Um die Sehfähigkeit von Menschen und Rhesus-Affen messen zu können, führen wir mit ihnen Computer-basierte Tests durch. Diese dauern lange und sind manchmal langweilig. Das verringert das Interesse und führt dann dazu, dass die Leistungsfähigkeit abnimmt.

Mit Hilfe einer Programmierumgebung für Videospiele (Unreal Engine) haben wir unsere Testaufgaben so gestaltet, dass sie abwechslungsreich und spielerisch sind und so das Interesse unserer Testpersonen lange aufrecht erhalten werden kann.

So können wir die Messungen unterhaltsamer für die Testpersonen machen und gleichzeitig die Qualität unserer Daten verbessern. Das ist besonders wichtig für Untersuchungen von Patienten (z.B. mit neuropsychologischen oder neurologischen Einschränkungen) für die die Aufgaben sonst vielleicht zu anstrengend wären.

 

Beispiel aus einem unserer Videospiel-basierten Untersuchungen. Der Stimulus ist ein Muster dessen Punkte sich wie ein Schneegestöber in viele Richtungen bewegen. Die Spieler (avatar) müssen die Richtung der wenigen Punkte erkennen die sich gemeinsam entweder nach links oder rechts bewegen und dann entsprechend die Spur (lane) wechseln um so Gefahren auf den anderen Spuren auszuweichen.

Videospiele für Rhesus-Affen

Die Abteilung Kognitive Neurowissenschaften erforscht das visuelle System von Menschen und Rhesusaffen (Macaca Mulatta). Die Tiere leben am DPZ in Gruppen.

Wir haben für die Tiere ein Videospiel-System entwickelt, das in ihren Gehegen aufgehängt werden kann. Wir nennen es das XBI. Das XBI können die Tiere bei Interesse nutzen. Es bietet ihnen Abwechslung, dient uns dazu sie für spätere experimentelle Aufgaben zu trainieren und erlaubt es uns ihre kognitiven Fähigkeiten zu testen.

Bei dem heute gezeigten Beispiel können die Tiere auswählen, welche von 4 möglichen Aufgabe sie jeweils machen wollen:

  • ein visuelles Trainingsspiel für spätere Untersuchungen ihrer Fähigkeiten Bewegungsrichtungen zu unterscheiden (Motion discrimination);
  • ein motorisches Trainingsspiel für spätere Untersuchungen ihrer Fähigkeiten präzise Bewegungen zu machen (Touch-hold release);
  • eine anspruchsvolle Merkaufgabe um ihre kognitiven Fähigkeiten zu testen (Match to sample);
  • ein Unterhaltungsspiel um sich Tierfotos anschauen zu können (Pictures).

Das XBI ist für uns damit ein vielfältiges Gerät, dass dem Wohlbefinden der Tiere und gleichzeitig unserer Forschung dient.

Das andere Rechts! – Zeichnen mit Umkehrbrille

Wer kennt es nicht: wir sollen etwas auf der rechten Seite auswählen und greifen nach links. „Das andere rechts!“ ist der heiter-ironische Rat, den wir dann oft bekommen. Was aber, wenn rechts und links tatsächlich vertauscht sind, wenn wir die Welt durch eine Umkehrbrille sehen? Weicht unter dieser umgekehrten Sicht eine kontrolliert geführte Bewegung, wie z.B. das Nachzeichnen eines Umrisses mit dem Stift, ein wenig von der gewünschten Position ab, dann versucht unser sensomotorisches System den gesehenen Bewegungsfehler („zu weit links“) in gewohnter Weise zu korrigieren, nämlich durch eine Korrekturbewegung nach rechts. Da der reale Fehler aber umgekehrt zum sichtbaren Fehler ist, die Hand also in Wirklichkeit zu weit rechts war, verstärkt diese Korrektur den Fehler satt ihn zu kompensieren. Der in alltäglichen Situationen sinnvolle Korrekturmechanismus ist plötzlich zum Scheitern verurteilt und kann offenbar auch nicht einfach überwunden werden: die Anpassung an eine Umkehrbrille und das Erlangen einer guten sensomotorischen Leistungsfähigkeit unter Umkehrsicht ist enorm langwierig. Im Labor nutzen wir solche Umkehrungen, um die gesehene Handbewegung von der tatsächlichen Handbewegung zu unterscheiden. So können wir Rückschlüsse ziehen, welchen Aspekt der Bewegung Nervenzellen in verschiedenen Gehirnregionen kodieren, die Muskel-getriebene physische Bewegung oder die visuell-sensorische Rückmeldung über diese Bewegung.

Knick in der Optik! – Dartwerfen mit Prismenbrille

Was passiert, wenn wir eine Körperbewegung nicht zum gewünschten Ergebnis führt, wenn wir z.B. einen Dartpfeil werfen und er knapp neben dem Ziel landet, obwohl wir uns ganz sicher waren in die Mitte gezielt zu haben? Unser sensomotorisches System hat Lernmechanismen zur Korrektur solcher Bewegungsfehler. Adaptationsmechanismen korrigieren zukünftige Bewegungen aufgrund der zuvor wahrgenommenen Fehler. Dies erfolgt ohne dass wir uns dessen bewusst sein müssen und durch einen Prozess, dessen neuronale Grundlagen noch nicht verstanden sind. Das Kleinhirn spielt vermutlich eine wichtige Rolle, denn Patienten mit Schädigungen des Kleinhirns zeigen manchmal Schwierigkeiten bei dieser Form des Lernens. Dass es sich tatsächlich um einen neuronalen Adaptationsprozess handelt, und nicht um eine strategisches Ausgleichen des Fehlers, zeigt das Experiment mit der Prismenbrille: provoziert man einen Bewegungsfehler durch ein seitliches versetzen des gesehenen Bildes, wird dieser Fehler (im Durchschnitt) mit jedem Wurf schrittweise etwas kleiner. Nimmt man nach einer Weile die Brille wieder ab, macht man auf einmal einen Fehler in die umgekehrte Richtung. Dieser sogenannte „Nacheffekt“ zeigt, dass sich unser sensomotorisches System durch das Tragen der Brille verändert hat. Wäre die Fehlerkorrektur während des Tragens der Brille nur das Ergebnis einer strategischen Kompensation gewesen, dürfte nach Abnehmen der Brille kein Fehler auftreten, sondern die Wurfgenauigkeit müsste sofort wieder normal sein. Solche und vergleichbare Experimente werden genutzt, um die Gehirnmechanismen des sensomotorischen Lernens zu untersuchen.

Soziale Neurowissenschaften

Fast alle Primaten, einschließlich Menschen und Makaken, sind sehr sozial. Da sich ihr Gehirn auch entwickelt hat, um soziales Verhalten zu ermöglichen, ist es wichtig, die Gehirnfunktion im sozialen Kontext zu untersuchen. Wir untersuchen, wie Primaten ihr Verhalten während sozialer Interaktionen koordinieren. Wir verwenden Experimente ähnlich dem Spiel, das wir Ihnen hier anbieten, um das Verhalten verschiedener Primatenarten wie Rhesusaffen und Menschen miteinander zu vergleichen.

Wir verwenden dabei Spiele, die unterschiedliche Abstufungen von Koordination und/oder von Wettbewerb erfordern und es uns damit ermöglichen, den sozialen Kontext, in dem Entscheidungen getroffen werden, experimentell zu kontrollieren. Wir wollen verstehen, wie der soziale Kontext die eigene und fremde Wahrnehmung, Entscheidungsfindung und Handlung im Gehirn moduliert. Mit unserem artenübergreifenden Ansatz untersuchen wir zunächst Menschen und Affen auf Ähnlichkeiten und Unterschiede im Verhalten. Dann nutzen wir Methoden zur Messung und zur Beeinflussung der Gehirnaktivität bei Affen dazu, die Mechanismen zu verstehen mit den soziales Verhalten vom Gehirn erzeugt und gesteuert wird.

In unserer normalen sozialen Umwelt beachten wir einander. Wir versuchen, die Motive anderer zu verstehen, ihre Handlungen vorherzusagen und unser eigenes Verhalten anzupassen, um Interaktionen nach unseren Wünschen zu gestalten. Die Spieltheorie bietet eine Fülle einfacher Spiele, mit denen man untersuchen kann, wie Einzelpersonen mit verschiedenen Arten von Interaktionen umgehen, die von Wettbewerb bis Kooperation reichen.

Hier zeigen wir Ihnen das "Lieferspiel":, das die Koordination von zwei Spielern erfordert:

Zwei Spieler, aus unterschiedlichen Städten, wollen jeweils Süßigkeiten von der anderen Stadt zum eigenen Haus liefern lassen, pünktlich zum Nachmittags-Tee. Jeder Lieferwagen kann entweder eine gerade aber schmale Straße nehmen, die es ermöglicht, viele  Süßigkeiten zu liefern, oder einen Umweg über holprige Feldwege, die nur eine Teilladung zulassen. Leider ist die gerade Straße so eng, dass entgegen-kommende zwei Lastwagen sich gegenseitig den Weg versperren und die Lieferungen zu spät erfolgen. Jeder Fahrer kann entweder die gerade Straße nehmen und hoffen, dass sie frei ist, oder einen Umweg machen und weniger Süßigkeiten liefern.

Aus Erfahrung wissen wir, dass in 10 erfolgreichen Lieferungen beide Spieler zusammen bis zu 40 Süßigkeiten liefern können.

Wie nahe an das Maximum kommen Sie und Ihr Partner?

Wir verwenden Spiele wie dieses um zu untersuchen wie die Teilnehmer ihr Verhalten miteinander koordinieren um das Maximum zu erreichen und ob/wie sie Wert auf eine faire Aufteilung der Belohnungen legen.

Neuronalen Grundlage von Bewegungswahrnehmung und Aufmerksamkeit

Unser Gehirn besteht aus Milliarden von einzelnen Zellen. Viele dieser Zellen reagieren nur auf ganz bestimmte Merkmale in unserer Umwelt. Eine Zelle reagiert zum Beispiel nur auf eine bestimmte Farbe, eine andere Zelle nur auf Bewegung in eine bestimmte Richtung und noch eine weitere Zelle nur auf bestimmte Gesichter.

Bewegung ist ein Merkmal, das in einem Experiment gut kontrolliert werden kann, das es nur über eine Richung und eie Geschwindigkeit definiert wird. Unsere Forschung konzentriert sich auf Gehirnzellen, die auf Bewegung reagieren, weil uns dadurch ermöglicht wird, zu untersuchen, wie die Aktivität einzelner Zellen mit Eigenschaften eines visuellen Reizes in Verbindung steht.

Aus Verhaltensstudien mit menschlichen Probanden wissen wir, dass mentale Prozesse, wie z.B. Aufmerksamkeit, unsere Wahrnehmung verändern können. Wir versuchen zu verstehen, was im Gehirn passiert, wenn sich unsere Wahrnehmung verändert.

Wir haben entdeckt, dass eine Zelle, die bevorzugt auf eine bestimmte Bewegungsrichtung reagiert, ihre Aktivität erhöht, wenn der Affe sich auf diese Bewegung konzentriert.

Das bedeutet, dass auch wenn ich genau das gleiche Bild zwei Mal sehe, mein Gehirn dieses Bild unterschiedlich verarbeitet und ich es daher unterschiedlich wahrnehme, abhängig davon, was gerade in meinen Gedanken vor sich geht.