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Xenotransplantation - Forschung für neue Organersatzverfahren

Die Organe von Schweinen sind denen des Menschen physiologisch und anatomisch sehr ähnlich. Foto: Friedrich-Loeffler-Institut - Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
Die Organe von Schweinen sind denen des Menschen physiologisch und anatomisch sehr ähnlich. Sie werden deshalb für die Forschung zu neuen Organersatzverfahren eingesetzt. Foto: Friedrich-Loeffler-Institut - Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit

Für viele schwerkranke Menschen mit terminalen Organschädigungen ist eine Transplantation die einzige Möglichkeit zu überleben und die Lebensqualität erheblich zu verbessern. In Deutschland, wie auch weltweit, ist die Verfügbarkeit menschlicher Spenderorgane jedoch begrenzt. Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten in Deutschland derzeit mehr als 10.000 Menschen auf eine Organspende. Dem gegenüber stehen 1.637 Transplantationen, die 2015 vorgenommen wurden. Vier bis acht Jahre kann die durchschnittliche Wartezeit auf eine Niere betragen und rund 17 Prozent der Patienten, die jährlich auf ein Spenderherz angewiesen sind, überleben die Wartefrist nicht.

Die Forschung nach Alternativen ist deshalb enorm wichtig, um dem Spendermangel entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit bietet die „Xenotransplantation“ (griechisch: xenos = fremd): Bei diesen Verpflanzungen werden Gewebe oder Organe entwicklungsgeschichtlich weit voneinander entfernter Arten (zum Beispiel vom Schwein) auf Primaten (Rhesusaffen, Paviane, später Menschen) übertragen. Dabei ist es vorteilhaft, dass die Gewebe und Organe von Schweinen eine große Ähnlichkeit mit der Anatomie und Physiologie der Primaten aufweisen.

Der Forschungsverbund

Das DPZ ist seit 2012 an dem DFG-gefördertem Verbundprojekt SFB Transregio 127 beteiligt, das sich der Forschung zur Xenotransplantation widmet. In dem interdisziplinären Projekt arbeiten zahlreiche Experten auf dem Gebiet der Gewebe- und Organ-Ersatzverfahren zusammen, um diese vom Labor in die klinische Anwendung zu bringen. Bruno Reichart ist Herzchirurg, emeritierter Professor an der Universität München und einer der beiden Sprecher des Forschungsverbunds. Er gilt als Pionier der Transplantation und führte 1983 die erste Herz-Lungentransplantation in Deutschland durch. Auf dem Gebiet der Xenotransplantation forscht er seit 1981.

Im folgenden Interview spricht er über die Chancen, die die Xenotransplantation als Alternativ-Verfahren für den menschlichen Gewebe- und Organersatz bietet, über das Forschungsprojekt SFB Transregio 127 und die wichtige Rolle des DPZ innerhalb des Konsortiums.

Bruno Reichart im Interview: „Wir brauchen eine Alternative zum Spendermangel“

Prof. Dr. Dr. h.c. Bruno Reichart vor dem Universitätsklinikum in München. Foto: Andreas Steeger
Prof. Dr. Dr. h.c. Bruno Reichart vor dem Universitätsklinikum in München. Der Herzchirurg und emeritierte Professor der Universität München ist ein anerkannter Experte und Pionier auf dem Gebiet der Transplantation. Foto: Andreas Steeger

Was versteht man unter Xenotransplantation und warum ist es so wichtig, an alternativen Organersatzverfahren zu forschen?

Unter Xenotransplantation versteht man die Verpflanzung von Geweben und Organen zwischen unterschiedlichen Arten; eine diskordante Transplantation ist die Verpflanzung von Geweben und Organen von Arten, die entwicklungsgeschichtlich weit von uns entfernt sind – also zum Beispiel von Schweinen in niedere nicht-menschliche Primaten wie Rhesusaffen oder Paviane.

Diese Forschung ist wichtig, um eine Alternative zum gravierenden Herz-Spendermangel beim Menschen anbieten zu können. Allgemein gilt: Der „Herztod“ ist die Ursache Nummer eins in der westlichen Welt, so auch in Deutschland. Das Sterben unter diesen Voraussetzungen ist schrecklich, da man in der Regel langsam erstickt, und das bei vollem Bewusstsein. Auf Grund des Organmangels können zurzeit nur sehr wenig Herztransplantationen durchgeführt werden. Eine Herztransplantation ist jedoch die Methode der Wahl, die aus dieser Sackgasse führt.

Diabetiker, die schwer einstellbar sind, können von einer potentiell tödlichen Unterzuckerung bedroht sein. Ihnen wäre mit einer Verpflanzung von menschlichen, Insulin-produzierenden Bauchspeicheldrüsenzellen geholfen, die leider praktisch in dem benötigten Umfang nicht zur Verfügung steht.

Der Herzklappenersatz im Kindes- und jungem Erwachsenalter ist nicht unproblematisch. Die zu Verfügung stehenden mechanischen Prothesen benötigen sogenannte „Blutverdünner“, also zum Beispiel Marcumar. Bisherige biologische Klappen degenerieren zu rasch, das heißt sie müssen wegen Funktionsunfähigkeit sehr bald wieder ausgewechselt werden. Demgegenüber benötigen genmodifizierte Herzklappen aus Schweinen keine blutverdünnenden Medikamente, bei verlängerter Haltbarkeit.

Welche Chancen und Risiken birgt die Xenotransplantation für die Medizin?

Wie schon erwähnt, ergibt sich dadurch die Möglichkeit, den Herz-Spendermangel zu beseitigen, aber auch Zuckerkranken und Patienten mit Herzklappenfehlern zu helfen. Zu den Risiken: Es besteht die Gefahr einer Übertragung von krankheitserregenden Keimen. Die Spendertiere müssen deshalb gut voruntersucht sein. Nebenbei: Das Risiko einer Keimübertragung ist bei den Verpflanzungen von menschlichen Organen weit größer, weil diese unter enormen Zeitdruck stattfinden und damit Voruntersuchungen nicht so gründlich erfolgen können.

Im DFG-Verbundprojekt SFB Transregio 127 forschen seit 2012 zahlreiche Experten zu xenogener Zell-, Gewebe- und Organtransplantation. Was ist das Ziel des Projektes?

Das Ziel des DFG SFB Transregio 127 ist, in vorklinischen Versuchen an nicht-menschlichen Primaten die Sicherheit und Effektivität von xenogenen Eingriffen nachzuweisen. Zu diesen Versuchen gibt es keine Alternativen.

Welche Forschungsschwerpunkte werden in dem Verbundprojekt bearbeitet?

Der Untertitel unseres Projekts heißt: „From bench to bedside“. Dazu benötigt man Grundlagenforscher auf dem Gebiet der Immunologie, der Virologie, der Veterinärmedizin, aber auch Ethiker und Rechtswissenschaftler darf man nicht vergessen.

Mantelpaviane im Freigehege des DPZ. Foto: Anton SäcklNeben den schon erwähnten Herztransplantationen beschäftigten sich Wissenschaftler unseres Konsortiums auch mit der Verpflanzung von Zellen der Bauchspeicheldrüse, den Insulin-produzierenden sogenannten „Inseln“. Damit kann Patienten geholfen werden, die mit einer medikamentösen Therapie ihrer Zuckerkrankheit nicht zurechtkommen. Insgesamt sind dies etwa fünf Prozent aller Diabetiker, vor auch Kinder und Jugendliche.

Ein weiteres Projekt befasst sich mit dem Herzklappenersatz. Die genveränderten Gewebe aus Schweinen sollen länger funktionstüchtig sein und die postoperative Gabe von „blutverdünnenden“ Medikamenten wie Marcumar überflüssig machen. Der Herzklappenersatz mit den genmodifizierten Geweben ist wieder vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsen vorteilhaft.

Warum sind besonders Schweine gut für die Übertragung von Organen auf den Menschen geeignet?

Schweine dienen uns seit Jahrtausenden als Nahrungsquelle. Sie vermehren sich in kurzer Zeit und in großer Zahl. Schweineorgane und –gewebe sind gut geeignete Counterparts zu den menschlichen Organen und Geweben, das heißt sie sind sich anatomisch und physiologisch sehr ähnlich.

Welche Methoden gibt es, um die Abstoßungsreaktionen bei der Transplantation von Fremdorganen zu verhindern?

Wir haben Methoden zur Unterdrückung des Immunsystems erarbeitet, die denen der allogenen Methoden (also Verpflanzungen von Mensch zu Mensch) überlegen sind. Indem wir bestimmte Schweine-Gene ausgeschalten (und damit schädliche Proteine wegnehmen) und menschliche Gene schützend einbringen, werden Abstoßungsreaktionen verhindert. Es werden weniger immunsupprimierende Medikamente benötigt.

Eine Ausnahme gibt es zu erwähnen: Kleine Zellverbände, wie die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse, können verkapselt werden. Die Kapseln schützen vor Abstoßungsreaktionen. Unter diesen Voraussetzungen muss keine Genmodifikation vorhanden sein. Eine medikamentöse Immununterdrückung wird überflüssig.

Welche Aufgabe hat das DPZ innerhalb des Konsortiums?

Das DPZ hat eine enorm wichtige Aufgabe. Es hält nicht nur die Empfängertiere für die schwierigen Transplantationen bereit, sondern hilft auch, technisch einfachere Eingriffe mit Geweben – zum Beispiel den Insulin-produzierenden Bauchspeicheldrüsenzellen – durchzuführen. Die Tiere werden dafür trainiert, auch die Nachsorge, die nicht einfach ist, findet im DPZ statt. Nur die Herztransplantationen erfolgen vor Ort bei den Herzchirurgen in München.

Warum sind Primaten als Tiermodell in der Transplantationsforschung wichtig?

Primatenversuche sind als Tiermodell in der Medizin extrem selten. In diesen besonderen Fällen der Xenotransplantationen sind sie jedoch erforderlich, da Modelle benötigt werden, die dem Menschen so nahe kommen wie möglich.

Eine Alternative wäre es, Erfahrungen am Menschen zu sammeln, was im vergangenen Jahrhundert tatsächlich versucht wurde. Aus ethischen Gründen muss man dies in unserer Zeit verneinen.

Wie begegnen Sie im Forschungsverbund den ethischen und rechtlichen Herausforderungen, die die Verwendung tierischer Gewebe und Organe mit sich bringt?

Wir haben ein Zentralprojekt, in dem sich ein katholischer Ethiker, ein klinischer Ethiker und ein mit Transplantationsfragen versierter Rechtswissenschaftler zusammengefunden haben. Sie bearbeiten die relevanten Fragen wissenschaftlich, wie zum Beispiel das Erstellen der umfangreichen Aufklärungsbögen für zukünftige klinische Anwendungen.

Außerdem werden Bürger befragt und öffentliche Symposien abgehalten, wobei man auch andere Glaubensansichten wie beispielsweise die der Juden und Moslems mit einbezieht.

Welche Forschungserfolge konnten bereits erzielt werden?

Am weitesten fortgeschritten innerhalb des Verbundes ist die Dresdner Forschungsgruppe mit ihren nicht-genmodifizierten, verkapselten Zellen der Bauchspeicheldrüse. Sie haben ihre Sicherheitsstudie in Affen abgeschlossen und sind mitten in ihren Effektivitätsuntersuchungen. Eine klinische Studie könnte in den nächsten vier Jahren abgeschlossen sein.

An genmodifizierten Bauchspeicheldrüsenzellen beginnen präklinische Studien ebenso wie die Arbeiten mit genmodifizierten Schweineherzklappen. Genmodifizierte Schweineherzen ersetzen erfolgreich nicht-menschliche Primatenherzen mit klinischer Sicherheit. An einer konstanten langen Überlebenszeit wird gearbeitet.