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Medizinische Nobelpreise dank Tierversuchen

Am 6. Oktober gab das Komitee in Stockholm die diesjährigen Nobelpreisträger für Physiologie und Medizin bekannt: Die Neurologen John O'Keefe und Evard und May-Britt Moser. Sie waren wie die meisten bisherigen Preisträger für ihre Forschung auf Tierversuche angewiesen.
Das Stockholmer Konzerthaus am Hötorget, worin der Nobelpreis für Medizin überreicht wird. Foto: Jonas Bergsten

Der Nobelpreis ist weltweit eine der höchsten Ehrungen, die von einer unabhängigen, fachlich kompetenten Jury vergeben wird. Nobelpreisträger haben in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich Herausragendes zum Wohl der Menschheit geleistet. Wie sehr diese herausragende biomedizinische Forschung von Tierversuchen abhängt, beweist die Tatsache, dass etwa 80 Prozent aller je vergebenen Nobelpreise der Medizin auf der Grundlage von Tierversuchen zustande kamen - darunter jeder Preis der vergangenen 30 Jahre. Auch der Nobelpreis für Medizin 2014, deren Träger am Montag, 6. Oktober bekanntgegeben wurden, wurde für Forschung auf der Basis von Tierversuchen verliehen: Die Neurowissenschaftler John O'Keefe (England) und Evard und May-Britt Moser (Norwegen) haben diejenigen Hirnzellen (Neuronen) im Hippocampus entdeckt, die für den Orientierungssinn des Menschen verantwortlich sind. Zuvor hatten die Forscher diese Zellen bei Ratten identifiziert.

Ein paar weitere Beispiele aus der Geschichte des Nobelpreises verdeutlichen, dass bahnbrechende Forschung in den vergangenen hundert Jahren oft nicht ohne Tierversuche auskommen konnte:

Penicillin im Tierversuch überprüft

Den Nobelpreis für Medizin des Jahres 1945 erhielten Alexander Fleming, Ernst Chain und Howard Walter Florey für die Entdeckung des ersten Antibiotikums Penicillin. Fleming hatte schon 1928 festgestellt, dass diese Substanz Bakterien abtötete und bewies in Tests an Mäusen, dass Penicillin für Säugetiere ungefährlich war. 1940 entwickelten Chain und Florey die Entdeckung weiter, indem sie wiederum an Mäusen nachwiesen, dass die Tiere mit der Hilfe von Penicillin von bakteriellen Infektionen wie Blutvergiftung geheilt werden konnten. Diese Entdeckung führte zur Massenproduktion von Penicillin als Antibiotikum mit dem seither unzählige Menschenleben gerettet werden konnten.

Erkenntnisse über die Hirnstruktur gewonnen

Im Jahr 1981 ging der Nobelpreis für Medizin an drei Neurowissenschaftler, die herausragende Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns erzielt hatten. Roger Sperry hatte bereits in den 50er und 60er Jahren durch Versuche mit Affen herausgefunden, dass die Verbindungen der linken und rechten Hirnhälfte ohne schwere Folgen für den Organismus getrennt werden können. Im weiteren Verlauf seiner Arbeit wandte er seine Erkenntnisse auf die Behandlung und Erforschung von Epilepsie-Patienten an und zeigte unter anderem, dass die beiden Hirnhälften unterschiedliche Funktionen wahrnehmen: Während die rechte für räumliche Aufmerksamkeit und die Verarbeitung von Geräuschsignalen zuständig ist, übernimmt die linke abstraktes und analytisches Denken wie Rechnen oder Sprache. Die Preisträger David Hubel und Torsten Wiesel erforschten die Verarbeitung visueller Prozesse mit Hilfe von Versuchen mit Katzen. Sie konnten nachweisen, dass die Verarbeitung visueller Signale durch Zellen des visuellen Kortex geschieht, die diese Fähigkeit erst kurz nach der Geburt durch visuelle Reize entwickeln.

HIV-Entdeckung auf Grundlage von Erkenntnissen aus Tierversuchen

2008 wurden die Infektionsforscher Harald zur Hausen, Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Zur Hausen hatte entdeckt, dass das humane Papilloma-Virus (HPV) zu 80 Prozent für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich ist. Barré-Sinoussi und Montagnier wurden für ihre Arbeit zum humanen Immundefizienz-Virus (HIV) ausgezeichnet. Sie hatten die Variante HIV-1 dieses Virus entdeckt, das die Krankheit AIDS auslöst. Beide Forschungsprojekte basierten auf Erkenntnissen aus Tierversuchen: Bereits 1910 wies Peyton Rous in Versuchen mit verschiedenen Tieren nach, dass Papilloma-Viren infektiös sind und Krebserkrankungen auslösen können. Über Retroviren der Klasse Lentivirus, zu denen HIV gehört, war ebenfalls nach Tierversuchen an Schafen, Pferden und Ziegen bereits seit der Jahrhundertwende bekannt, dass sie Krankheiten des Immunsystems auslösen können.