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Zusammen ist man weniger allein

Paarleben als Sprungbrett vom Einzelgängertum zum Gruppenleben
Ein männlicher, ein weiblicher Gelbwangen-Schopfgibbon (Nomascus spec.) mit Jungtier. Foto: Bidru/shutterstock.com
Prof. Dr. Peter Kappeler ist Leiter der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum. Seit 30 Jahren erforscht er die Lemuren Madagaskars. Foto: Claudia Fichtel
Prof. Dr. Peter Kappeler ist Leiter der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum. Seit 30 Jahren erforscht er die Lemuren Madagaskars. Foto: Claudia Fichtel
Dieser junge Rote Springaffe (Plecturocebus cupreus) profitiert von der Fürsorge seines Vaters. Bei den paarlebenden Springaffen kümmern sich hauptsächlich die Männchen um den Nachwuchs. Foto: Sofya Dolotovskaya
Dieser junge Rote Springaffe (Plecturocebus cupreus) profitiert von der Fürsorge seines Vaters. Bei den paarlebenden Springaffen kümmern sich hauptsächlich die Männchen um den Nachwuchs. Foto: Sofya Dolotovskaya
Gibbons, wie dieser Weißhandgibbon (Hylobates lar) gelten als die klassischen paarlebenden Primaten. Sie stärken ihre Paarbindung durch charakteristische gemeinsame Gesänge. Foto: Tanja Wolf
Gibbons, wie dieser Weißhandgibbon (Hylobates lar) gelten als die klassischen paarlebenden Primaten. Sie stärken ihre Paarbindung durch charakteristische gemeinsame Gesänge. Foto: Tanja Wolf

Allein, als Paar oder in Gruppen – die verschiedenen Formen des Zusammenlebens bei Primaten sind nicht zuletzt deshalb interessant, weil sie vielleicht auch etwas über unser eigenes Sozialleben verraten können. Wie die unterschiedlichen Gesellschaftsformen auseinander hervorgegangen sind und welche Faktoren dafür verantwortlich sind, hat ein Evolutionsbiologe des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz- Institut für Primatenforschung zusammen mit einem Kollegen der Universität Texas untersucht. Ihre Rekonstruktionen zeigten, dass die Entwicklung von einer einzelgängerischen Lebensweise hin zum Gruppenleben in der Regel über das Paarleben erfolgte. Paarleben stellt somit evolutionär gesehen eine Art Sprungbrett für das Gruppenleben dar und nimmt daher eine Schlüsselposition in der Evolution sozialer Systeme ein (Science Advances).

Im Laufe der Evolution mussten sich Arten immer wieder an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Eine Anpassungsmöglichkeit ist die Modifikation des Sozialverhaltens. Knapp die Hälfte aller Primatenarten lebt in Gruppen, ungefähr ein Drittel in Paaren, der Rest lebt solitär. Warum sich die verschiedenen Formen sozialer Komplexität entwickelt haben, wie viele Übergänge es in welche Richtungen zwischen den Sozialsystemen im Lauf der Evolution gab und welche Faktoren zu diesen Übergängen geführt haben, wurde auf der Basis genetischer Daten und Verhaltensbeobachtungen von 362 Primatenarten analysiert.

Paarleben, das Zusammenleben von einem Männchen und einem Weibchen, nimmt eine Schlüsselrolle bei den Überlegungen zur Evolution der Sozialsysteme der Säugetiere ein, denn Männchen könnten einen deutlich höheren Fortpflanzungserfolg erzielen, wenn sie sich nicht an ein einziges Weibchen binden würden. „Evolutionsbiologen ringen schon lange darum, die Vorteile des Paarlebens für Männchen zu identifizieren“, sagt Peter Kappeler, Erstautor der Studie und Leiter der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum. Die beiden gängigen Hypothesen zur Entstehung von Paarleben, die Verteilung der Weibchen und die väterliche Fürsorge, scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. „Tatsächlich weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass sich beide Faktoren ergänzen“, sagt Kappeler. „Zunächst führte mutmaßlich eine ökologische Veränderung des Lebensraums dazu, dass sich die Weibchen stärker räumlich voneinander separierten und solitäre Männchen, in deren Streifgebiet vorher mehrere Weibchen lebten, sich
 
als Folge nur noch auf ein Weibchen konzentrieren konnten. Die aus der Paarbildung resultierende väterliche Fürsorge erhöhte wiederum die Überlebenswahrscheinlichkeit der Nachkommen und stärkte damit das Paarleben.“
Der weitere Übergang zum Gruppenleben wurde wiederum durch eine Verbesserung der ökologischen Situation ermöglicht, die es meist verwandten Weibchen gestattete, in enger räumlicher Nähe zu leben. Diesen konnten sich dann ein bis mehrere Männchen anschließen. „Die für Menschen typische Paarbindung innerhalb größerer sozialer Einheiten, lässt sich mit unseren Ergebnissen allerdings nicht erklären, da keiner unserer jüngeren Vorfahren solitär lebte. Jedoch scheinen auch bei Menschen die Vorteile der väterlichen Fürsorge zu einer Stärkung der Paarbindung zu führen“, sagt Peter Kappeler.

Originalpublikation

Kappeler PM, Pozzi L (2019): Evolutionary transitions towards pair living in non-human primates as stepping stones towards more complex societies. Science Advances