Menü mobile menu

Die Vermehrung von SARS-Coronavirus-2 im Menschen verhindern

Göttinger Infektionsforscher identifizieren potentielles Medikament
Schematische Darstellung eines Coronavirus mit Oberflächenproteinen auf der Außenhülle. Abbildung: Markus Hoffmann
Das Anheftungsprotein „Spike“ des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 verwendet den gleichen zellulären Anheftungsfaktor (ACE2) wie das SARS-CoV und nutzt für seine Aktivierung die zelluläre Protease TMPRSS2. Vorhandene, klinisch freigegebene Medikamente, die gegen TMPRSS2 gerichtet sind, hemmen die SARS-CoV-2 Infektion von Lungenzellen. Abbildung: Markus Hoffmann
Das Anheftungsprotein „Spike“ des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 verwendet den gleichen zellulären Anheftungsfaktor (ACE2) wie das SARS-CoV und nutzt für seine Aktivierung die zelluläre Protease TMPRSS2. Vorhandene, klinisch freigegebene Medikamente, die gegen TMPRSS2 gerichtet sind, hemmen die SARS-CoV-2 Infektion von Lungenzellen. Abbildung: Markus Hoffmann
Ursprung und Übertragbarkeit humanpathogener Coronaviren. Abbildung: Markus Hoffmann
Ursprung und Übertragbarkeit humanpathogener Coronaviren. Abbildung: Markus Hoffmann
Dr. Markus Hoffmann, Hannah Kleine-Weber und Prof. Dr. Stefan Pöhlmann, Infektionsforscher in der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Dr. Markus Hoffmann, Hannah Kleine-Weber und Prof. Dr. Stefan Pöhlmann, Infektionsforscher in der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch

Um eine Krankheit auszulösen, müssen Viren in Körperzellen eindringen. Dazu heften sie sich an geeignete Zellen an und schleusen ihre Erbinformation in diese Zellen ein. Infektionsforscher vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen haben zusammen mit Kollegen an der Charité – Universitätsmedizin Berlin untersucht, wie das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 in Zellen eindringt. Sie haben ein zelluläres Enzym identifiziert, das für den Eintritt des Virus in Lungenzellen unverzichtbar ist: die Protease TMPRSS2. Ein bereits existierendes Medikament, das diese Protease hemmt, könnte daher eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit darstellen (Cell).

Weltweit zirkulieren verschiedene Coronaviren, die ständig Menschen infizieren und normalerweise nur milde Atemwegserkrankungen hervorrufen. Aktuell jedoch erleben wir eine weltweite Ausbreitung eines neuen Coronavirus mit mehr als 90.000 bestätigten Krankheitsfällen und über 3.000 Toten. Es handelt sich um das SARS-Coronavirus-2, das von Tieren auf den Menschen übertragen wurde und eine schwere Erkrankung der Atemwege hervorrufen kann, die COVID-19 genannt wird. Das SARS-Coronavirus-2 breitet sich seit Dezember 2019 aus und ist eng mit dem SARS-Coronavirus verwandt, das in 2002/2003 die SARS-Pandemie ausgelöst hat. Für die Bekämpfung beider Viren stehen gegenwärtig weder Impfstoffe noch Medikamente zur Verfügung.

Virusvermehrung stoppen
Ein breit aufgestelltes Team, das von den Infektionsbiologen des Deutschen Primatenzentrums geführt wurde und dem unter anderem Forscherinnen und Forscher der Charité, der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, der BG-Unfallklinik Murnau, der LMU München, des Robert-Koch-Instituts sowie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung angehörten, wollte herausfinden, wie das neue Coronavirus SARS-CoV-2 in Wirtszellen eintritt und wie dieser Prozess blockiert werden kann. Die Forscher identifizierten ein zelluläres Protein, das für das Eindringen von SARS-CoV-2 in Zellen wichtig ist. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass SARS-CoV-2 die im menschlichen Körper vorhandene Protease TMPRSS2 benötigt, um in die Wirtszelle einzudringen“, sagt Stefan Pöhlmann, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum. „Damit haben wir einen Ansatzpunkt zur Bekämpfung des Virus gefunden.“

Erfolgversprechendes Medikament
Da bekannt ist, dass das Medikament Camostat Mesilate die Protease TMPRSS2 hemmt, haben die Forscher untersucht, ob es auch die Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern kann. „Wir haben SARS-CoV-2 aus einem Patienten getestet und festgestellt, dass Camostat Mesilate das Eindringen des Virus in Lungenzellen blockiert“, sagt Markus Hoffmann, der Erstautor der Studie. Camostat Mesilate ist ein in Japan zugelassenes Medikament, das bei Entzündungen der Bauchspeicheldrüse eingesetzt wird. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Camostat Mesilate auch vor der Krankheit COVID-19 schützen könnte“, sagt Markus Hoffmann. „Dies sollte im Rahmen von klinischen Studien untersucht werden."

Originalpublikation
Hoffmann, M et al. (2020). SARS-CoV-2 cell entry depends on ACE2 and TMPRSS2 and is blocked by a 2 clinically-proven protease inhibitor. Cell, DOI: 10.1016/j.cell.2020.02.052