Geplante Bewegungen werden im Gehirn anders verarbeitet als spontane Reaktionen
Die Läufer stehen aufgereiht an der Linie, gebannt warten sie auf das Start-Signal zum 1000-Meter-Lauf. In der zweiten Kurve passiert es, ein Läufer stürzt, fällt seinem Nachbarn direkt vor die Füße. Dieser kann gerade noch ausweichen und sprintet weiter Richtung Ziel. Beim Warten auf das Startsignal hatte der Läufer Zeit, seine ersten Schritte zu planen, beim Ausweichen musste er sofort reagieren. Bisher war nicht bekannt, wie sich die Gehirnaktivität bei geplanten und unmittelbaren Bewegungen unterscheidet. Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) konnten in ihrer jetzt veröffentlichten Studie an zwei Rhesusaffen zeigen, dass geplante und unmittelbare Greifbewegungen zwar während der Bewegungsausführung auf gleiche Weise im Gehirn verarbeitet werden, dass sich die vorhergehenden Aktivitäten im Gehirn jedoch unterscheiden. Dies hilft zu verstehen, was im Gehirm passiert wenn wir Bewegungen planen und sie nicht direkt ausführen – eine wichtige Erkenntnis, die in Zukunft etwa für klinische Rehabilitationsmaßnahmen hilfreich sein kann.
Die Neurowissenschaftler Benjamin Dann und Jonathan Michaels vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen haben zwei Rhesusaffen darauf trainiert, bei Erscheinen eines Signals eine Greifbewegung auszuführen. Je nachdem, ob ein grüner oder weißer Kreis auf einem Bildschirm erschien, sollten die Tiere einen Kraftgriff mit der ganzen Hand oder einen Präzisionsgriff mit zwei Fingern machen. Die Bewegung durften sie aber erst dann ausführen, wenn ein weiterer, roter Kreis, vom Monitor verschwunden war. Im Gehirn musste also zunächst entschieden werden, welche Art der Bewegung ausgeführt werden soll (Kraft- oder Präzisionsgriff) und dann das Signal abgewartet werden, bis die Bewegung tatsächlich ausgeführt werden durfte. Diese Wartezeit wurde von Null bis 1,3 Sekunden variiert.
Um das Zusammenspiel von Planung und Bewegung im Gehirn systematisch zu untersuchen, haben die Wissenschaftler die Aktivität von Nervenzellengruppen in zwei verschiedenen Gehirnregionen gemessen, die für die Generierung und Durchführung von Greifbewegungen zuständig sind. Je nachdem, wie lang die Wartezeit war, bis die Tiere die angezeigte Bewegung durchführen durften, veränderte sich die ursprüngliche Aktivität der Nervenzellengruppen beider Areale hin zu einem Planungszustand. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass beim Planen einer Bewegung nicht einfach nur die notwendige Nervenzellen-Aktivität im Gehirn zur Durchführung einer Bewegung beibehalten wird, sondern dass ein neuer Aktivitätszustand für Bewegungen aus dem Kurzzeitgedächtnis existiert“, sagt Benjamin Dann, einer der beiden Hauptautoren der Studie. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Rehabilitationsmaßnahmen für Patienten zu entwickeln, die beispielsweise nach einem Schlaganfall oder einer Tumoroperation Probleme mit der Planung und Initiation von Bewegungen haben. „Wenn wir verstehen, wie genau das Gehirn bei Planung von Bewegungen arbeitet, können motorische Beeinträchtigungen in Zukunft gezielter behandelt werden“, sagt Benjamin Dann.
Originalveröffentlichung
Jonathan A Michaels, Benjamin Dann, Rijk W Intveld and Hansjörg Scherberger: Neural dynamics of variable grasp movement preparation in the macaque fronto-parietal network. Journal of Neuroscience 24 May 2018, 2557-17; DOI: https://doi.org/10.1523/JNEUROSCI.2557-17.2018