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Im Alter werden wir wählerischer

Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum und der Universität Zürich beschreiben Parallelen zwischen alternden Berberaffen und Menschen
Ein sehr altes Berberaffenmännchen im Affenpark „La Forêt des Singes" in Rocamadour, Frankreich. Foto: Julia Fischer
Laura Almeling, Doktorandin in der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Laura Almeling, Doktorandin in der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Ein altes Berberaffenweibchen im Affenpark „La Forêt des Singes” in Rocamadour, Frankreich, wird gegroomt. Foto: Julia Fischer
Ein altes Berberaffenweibchen im Affenpark „La Forêt des Singes” in Rocamadour, Frankreich, wird gegroomt. Foto: Julia Fischer
Ein Berberaffe (Macaca sylvanus) mit einem Spielzeug im Affenpark „La Forêt des Singes" in Rocamadour, Frankreich.. Foto: Laura Almeling
Ein Berberaffe (Macaca sylvanus) mit einem Spielzeug im Affenpark „La Forêt des Singes" in Rocamadour, Frankreich.. Foto: Laura Almeling

Solange wir jung sind, steht uns die Welt offen, wir probieren alles aus. Mit zunehmendem Alter werden wir jedoch wählerischer. Wir konzentrieren uns auf das, was wir erreicht haben und pflegen soziale Beziehungen zu den Menschen, die uns wirklich wichtig sind. Warum das so ist, wird vielfach diskutiert, die abnehmende Vitalität sowie das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit scheinen eine Rolle zu spielen. Um die beiden Gründe auseinanderzudividieren, hat Laura Almeling vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) Berberaffen beobachtet. Mit mehreren Experimenten hat sie das Verhalten der Affen verschiedener Altersgruppen getestet und festgestellt, dass auch Berberaffen im Alter wählerischer werden: Schon bei älteren Jungtieren nimmt das Interesse ab, etwas Neues kennenzulernen, später wird auch das soziale Netzwerk kleiner. Die Konzentration auf wichtige Sozialpartner ist also nicht ausschließlich vom Bewusstsein abhängig, eine begrenzte Lebenszeit zu haben, sondern muss tiefer in der Evolution des Menschen verankert sein als bislang angenommen (Current Biology).

Laura Almeling und ihre Kollegen vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) haben 118 Berberaffen im Alter zwischen vier und 29 Jahren im Affenpark „La Forêt des Singes“ in Rocamadour, Frankreich, beobachtet und verschiedene Verhaltensexperimente durchgeführt. Die Reaktionen der Tiere wurden auf Video aufgenommen und analysiert.

Präsentierten die Wissenschaftler neue Objekte, so zeigten nur die Jungtiere Interesse daran. Bereits im jungen Erwachsenenalter nahm die Bereitschaft ab, sich damit zu beschäftigen. Um das Verhalten der Affen im sozialen Umfeld zu testen, wurden ihnen zum einen Hilfeschreie und zum anderen Fotos von Artgenossen präsentiert. Männliche Berberaffen zeigten ein besonders großes Interesse an Fotos von Neugeborenen. Weibliche Tiere schauten außerdem auch länger auf Bilder von Freunden als von anderen Gruppenmitgliedern. Darüber hinaus reagierten sie bis ins hohe Alter auf Hilfeschreie, besonders auf die der besten Freundin.

„Berberaffenweibchen verlieren im Alter nicht das Interesse am gemeinsamen Miteinander, sie konzentrieren sich jedoch auf eine kleine Gruppe von Partnern“, sagt Laura Almeling. Dies zeigte sich bei der gegenseitigen Fellpflege, dem sogenannten Groomen: Im Gegensatz zu den aufgeweckten jungen Tieren, die sehr häufig ihren Pflegepartner wechselten, groomten betagtere Affenweibchen einen kleineren Kreis von Freunden.

Neue Reize verlieren für die Affen schon früh an Bedeutung, der Fokus der älteren Tiere liegt eindeutig auf dem sozialen Umfeld. „Darin sind sie alternden Menschen sehr ähnlich, die im hohen Alter wählerischer werden“, sagt Alexandra Freund, die an der Studie beteiligt war. „Unsere Untersuchungen zeigen, wie wichtig Verhaltensforschung an Affen ist, um den menschlichen Alterungsprozess besser zu verstehen. Das Verhalten von Menschen im Alter ist tiefer in der Evolution verankert als bisher angenommen und nicht ausschließlich vom Bewusstsein abhängig, eine begrenzte Lebenszeit zu haben“, fasst Julia Fischer, die Leiterin der Studie, zusammen.

Originalpublikation

Laura Almeling, Kurt Hammerschmidt, Holger Sennhenn-Reulen, Alexandra M. Freund, Julia Fischer (2016): Motivational shifts in aging monkeys and the origins of social selectivity. Current Biology, http://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(16)30460-2 DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2016.04.066