Menü mobile menu

Können Affen neue Laute lernen?

Übersichtsartikel von DPZ-Forschern diskutiert vokale Kommunikation bei Primaten
Drei Westliche Grünmeerkatzen (Chlorocebus sabaeus) bei der sozialen Fellpflege in Simenti, Senegal. Foto: Tabitha Price
Männliche Guineapaviane (Papio papio) bei der sozialen Fellpflege. Foto: Julia Fischer
Männliche Guineapaviane (Papio papio) bei der sozialen Fellpflege. Foto: Julia Fischer
Prof. Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Prof. Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Dr. Kurt Hammerschidt, Wissenschaftler in der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Dr. Kurt Hammerschidt, Wissenschaftler in der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch

Können sie es nun oder können sie es nicht? Die Frage, ob Affen in der Lage sind, ihre Lautgebung entsprechend sozialer oder akustischer Erfahrungen aus ihrer Umwelt grundlegend zu verändern, beschäftigt Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten. Dieser als „vokales Lernen“ bezeichnete Prozess ist auch ein Schlüsselansatz, um die Evolution der menschlichen Sprache besser zu verstehen. Bekannt ist seit längerem, dass die Lautstruktur verschiedener Primatenarten einer Gattung sehr ähnlich und damit wahrscheinlich angeboren ist. Modifikationen sind nur in sehr geringen, artabhängigen Grenzen möglich. Allerdings diskutieren auch einige neuere Studien immer wieder vokales Lernen bei verschiedenen Primatenarten wie Schimpansen und Weißbüschelaffen. Die DPZ-Verhaltensforscher Julia Fischer und Kurt Hammerschmidt, die seit Jahren Studien zur Kommunikation von Affen durchführen, beleuchten das Thema nun in einem Übersichtsartikel neu. Darin haben sie die aktuellen Studien zum Thema zusammengetragen, stellen eigene Forschungsergebnisse vor und diskutieren diese vor dem Hintergrund der Debatte um vokales Lernen bei Primaten. Die Autoren schlagen vor, den Fokus der Forschung zukünftig auf die verschiedenen Mechanismen zu legen, die die Lautgebung von Primaten im Hinblick auf auditorische Erfahrungen beeinflussen. Der Artikel ist in der Themenausgabe „What can animal communication teach us about human language?“ der Zeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society B erschienen.

„Ziel des Artikels war es, einen Überblick über aktuelle Studien zum vokalen Lernen bei Primaten zu schaffen und Lehren für zukünftige Forschungsansätze zu ziehen“, sagt Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ. „In den letzten Jahren sind einige Studien mit Schimpansen aber auch Weißbüschelaffen und Makaken erschienen, in denen die Autoren zeigen wollen, dass es vokales Lernen bei Primaten grundsätzlich gibt.“

Bei Schimpansen wurden hauptsächlich die Lautäußerungen der Tiere verschiedener Gruppen sowohl im Freiland als auch in Gefangenschaft untersucht und verglichen. Bei Weißbüschelaffen und auch Makaken wurde unter anderem der Einfluss elterlicher Vokalisation auf die Entwicklung der Lautgebung der Jungtiere erforscht. „Obwohl durchaus Variationen zwischen den Schimpansengruppen und -populationen nachgewiesen werden konnten, ist die generelle Struktur von Lauten angeboren und kann nur in geringem Maße modifiziert werden“, bewertet Julia Fischer die Arbeiten. „Bei den Studien mit Weißbüschelaffen und Makaken konnte nachgewiesen werden, dass das Hören der erwachsenen Tiere zwar wichtig ist für die Entwicklung der vokalen Kommunikation, dass die Jungtiere die Laute der erwachsenen Tiere aber auch lernen, wenn diese von den Elterntieren getrennt aufwachsen, also keinen auditorischen Input von ihnen bekommen.“

Auch in eigenen Studien konnten Julia Fischer und ihr Team ähnliche Beobachtungen machen. Sie untersuchten die Lautgebung verschiedener Pavianarten und verglichen spezielle Laute wie das typische Grunzen zur Begrüßung und Kontaktrufe untereinander. Fischer und ihre Kollegen fanden heraus, dass die beiden Ruftypen in den verschiedenen Arten sehr ähnlich klingen. Geringe Variationen waren in der Ruflänge, der Grundfrequenz und in den hohen Frequenzen zu finden, die unter anderem in der unterschiedlichen Körpergröße der verschiedenen Arten begründet sein könnte. Auch beim anschließenden Vergleich des gesamten vokalen Repertoires von Bären- und Guineapavianen konnten die Forscher keine grundlegenden Unterschiede in der Lautstruktur beider Arten feststellen. Das war umso erstaunlicher, da beide Arten in sehr unterschiedlichen Sozialsystemen leben, diese aber offenbar keine Auswirkungen auf ihre Lautgebung haben.

In weiteren Studien untersuchten Fischer und ihr Team die Alarmrufe von Meerkatzen. Die Wissenschaftler konfrontierten die Tiere mit einer neuen, potentiellen Gefahr aus der Luft: einer Drohne, die sie in 60 Metern Höhe über die Tiere hinwegfliegen ließen. Die Geräusche der Drohne wurden dabei aufgezeichnet und den Tieren später vorgespielt. So wollten die Forscher überprüfen, wie schnell die Tiere lernen, welche Bedeutung die Töne haben. Im Playback-Experiment reagierten die Tiere auf die Drohnengeräusche mit Warnrufen, einige suchten den Himmel ab und versteckten sich. Diese Warnrufe unterschieden sich deutlich von den Lauten, die die Tiere in Gegenwart von Schlangen und Leoparden ausstoßen. Die Rufe ähnelten jedoch den Warnrufen, die die verwandten Südlichen Grünmeerkatzen ausstoßen, wenn sich ein Adler aus der Luft nähert.

„Die Tiere haben schnell gelernt, was die zuvor unbekannten Geräusche bedeuten und sich diese Information gemerkt“, sagt Julia Fischer. „Dies zeigt ihre Fähigkeit zu schnellem auditivem Lernen. Die Rufstruktur scheint jedoch früh in der Evolutionsgeschichte der Meerkatzen angelegt worden zu sein.“

Fischer und Hammerschmidt heben auf der Basis des derzeitigen Forschungsstands zwei grundlegende Erkenntnisse zu vokalem Lernen hervor: Zum einen seien die Muster der Lautgebung bei Primaten auf Ebene der Art oder Gattung relativ stark genetisch fixiert, zum anderen könnten Laute entsprechend auditorischer Erfahrungen aus der Umwelt modifiziert werden, allerdings nur in sehr engen Grenzen.

„Wichtig ist, dass wir den dichotomen Blick auf das Thema überwinden und zukünftig verstärkt die Mechanismen erforschen, die die Anpassungen der Lautgebung bei Primaten ermöglichen“, fasst Julia Fischer zusammen. „Zum Beispiel kann bestimmte auditorische Erfahrung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der entsprechende Ruftyp auch beim Hörer aktiviert und produziert wird – so wie Gähnen ansteckend ist. Alternativ kann die Verwendung eines Rufs, der den Rufen der anderen Gruppenmitglieder ähnlicher ist, eher die gewünschte Reaktion hervorrufen. Beide Mechanismen führen am Ende dazu, dass sich die Laute in einer Gruppe ähneln, aber die Wege dorthin unterscheiden sich. Zukünftige Studien sollten sich daher den Mechanismen des vokalen Lernens zuwenden, als darüber zu streiten, ob es vokales Lernen bei Affen gibt oder nicht.“

Übersichtsartikel

Fischer J and Hammerschmidt K (2019): Towards a new taxonomy of primate vocal production learning. Philosophical Transactions of the Royal Society B 375(1789), https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0045