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Pulvinar und thalamo-kortikale Interaktionen

Eine zentrale Forschungsrichtung, die in einer langjährigen Zusammenarbeit mit Melanie Wilke verfolgt wird, konzentriert sich auf die thalamisch-pulvinar-kortikalen Netzwerke, die visuomotorische Entscheidungen und Handlungen in normalen und gestörten Zuständen unterstützen. Neben dem grundlegenden neurowissenschaftlichen Wert besitzt diese Arbeit eine starke translationale Perspektive, da sie ein Makakenmodell neurologischer Erkrankungen wie z. B. räumlicher Vernachlässigung (Neglect) oder optischer Ataxie ermöglicht. Wir verwenden eine Kombination aus funktioneller Bildgebung, MRT-gesteuerten elektrophysiologischen Aufnahmen und kausalen Störtechniken wie reversibler pharmakologischer Inaktivierung und elektrischer Mikrostimulation [1].

Die übergeordnete Prämisse ist, dass die verteilte Kommunikation zwischen kortikalen Arealen nur im Zusammenspiel mit der Beteiligung subkortikaler Strukturen, wie z. B. thalamischer Sekundärkerne wie des Pulvinars, verstanden werden kann. Das Pulvinar hat sich im Verlauf der Primatenevolution stark erweitert und erreicht sein relatives Maximum beim Menschen. Es ist reziprok mit einer Vielzahl von kortikalen Netzwerken verbunden. Die funktionelle Bedeutung des Pulvinars und seiner kortikalen Verbindungen ist noch nicht vollständig verstanden. Es wird vermutet, dass es den visuomotorische zwischen kortikalen Arealen, die die visuell-räumliche Aufmerksamkeit unterstützen, kontrolliert. Unsere Arbeiten zeigen jedoch seine komplementäre Rolle in Entscheidungsprozessen und der visuomotorische Integration, die über rein visuell-räumliche Domänen hinausgeht [2–7].

Unsere kombinierten Perturbations-fMRT-Studien zeigen, dass eine einseitige Inaktivierung oder Mikrostimulation des dorsalen Pulvinars zu weitreichenden, aufgaben- und hemifeldspezifischen BOLD-Aktivitätsänderungen in fronto-parietalen und parieto-temporalen Kortizes in beiden Hemisphären führt [1,8]. Solche Änderungen in räumlichen Repräsentationen, die sowohl die inaktivierungsbedingten Verhaltensdefizite als auch die vermuteten Kompensationsmechanismen widerspiegeln, sind teilweise den Folgen einer Inaktivierung des parietalen Kortex ähnlich, die wir früher untersucht haben [9–11].

Diese Arbeiten werden auf neuronaler Ebene weitergeführt, indem wir simultan Pulvinar-Inaktivierung und bihemisphärische neuronale Aufnahmen mittels multielektrodenlinearer Arrays (V/S-Probes) im parietalen Kortex (Areale LIP und MIP) während angewiesener und freier Wahl von Sakkaden- und Greifbewegungen durchführen. Dabei beobachteten wir weitgehend Push-Pull-Änderungen in der räumlichen und handbezogenen Tuning sowohl in der inaktivierten als auch in der gegenüberliegenden Hemisphäre auf Ebene der neuronalen Feuerraten und der Leistung lokaler Feldpotenziale (LFP). Ebenso fanden wir durch Inaktivierung induzierte Änderungen der lokalen (innerhalb jeder Hemisphäre) und interarealen (über beide Hemisphären hinweg) funktionellen Konnektivität auf der Ebene der LFP-LFP- und Spike-LFP-Kopplung in spezifischen Frequenzbändern. Diese bihemisphärischen kortikalen Effekte könnten den kontraläsionalen Hemifeldbeeinträchtigungen und Defiziten bei Handlungen/Wahl nach Pulvinar-Inaktivierung zugrunde liegen (in Vorbereitung).

Darüber hinaus führten wir simultane Aufnahmen im Pulvinar und im parietalen Kortex durch, um deren funktionelle Konnektivität zu charakterisieren. Der nächste Schritt besteht darin, spezifische Inaktivierungseffekte auf einzelne Neuronen mit ihrem vermuteten Zelltyp (z. B. anhand von Spike-Wellenformen) und ihrem Spike-LFP-Konnektivitätsprofil zu verknüpfen, in einer schichtspezifischen Analyse, sofern es die kortikale Anatomie erlaubt.

References

1.    Klink, P.C., Aubry, J.-F., Ferrera, V.P., Fox, A.S., Froudist-Walsh, S., Jarraya, B., Konofagou, E.E., Krauzlis, R.J., Messinger, A., Mitchell, A.S., et al. (2021). Combining brain perturbation and neuroimaging in non-human primates. NeuroImage 235, 118017. doi.org/10.1016/j.neuroimage.2021.118017.

2.         Wilke, M., Kagan, I., and Andersen, R.A. (2013). Effects of pulvinar inactivation on spatial decision-making between equal and asymmetric reward options. Journal of Cognitive Neuroscience 25, 1270–1283. doi.org/10.1162/jocn_a_00399.

3.         Wilke, M., Schneider, L., Dominguez-Vargas, A.-U., Schmidt-Samoa, C., Miloserdov, K., Nazzal, A., Dechent, P., Cabral-Calderin, Y., Scherberger, H., Kagan, I., et al. (2018). Reach and grasp deficits following damage to the dorsal pulvinar. Cortex 99, 135–149. doi.org/10.1016/j.cortex.2017.10.011.

4.         Dominguez-Vargas, A.-U., Schneider, L., Wilke, M., and Kagan, I. (2017). Electrical Microstimulation of the Pulvinar Biases Saccade Choices and Reaction Times in a Time-Dependent Manner. J. Neurosci. 37, 2234–2257. doi.org/10.1523/JNEUROSCI.1984-16.2016.

5.         Schneider, L., Dominguez-Vargas, A.-U., Gibson, L., Kagan, I., and Wilke, M. (2019). Eye position signals in the dorsal pulvinar during fixation and goal-directed saccades. Journal of Neurophysiology 123, 367–391. doi.org/10.1152/jn.00432.2019.

6.         Schneider, L., Dominguez-Vargas, A.-U., Gibson, L., Wilke, M., and Kagan, I. (2023). Visual, delay, and oculomotor timing and tuning in macaque dorsal pulvinar during instructed and free choice memory saccades. Cerebral Cortex 33, 10877–10900. doi.org/10.1093/cercor/bhad333.

7.         Kaduk, K., Wilke, M., and Kagan, I. (2024). Dorsal pulvinar inactivation leads to spatial selection bias without perceptual deficit. Sci Rep 14, 12852. doi.org/10.1038/s41598-024-62056-5.

8.         Kagan, I., Gibson, L., Spanou, E., and Wilke, M. (2021). Effective connectivity and spatial selectivity-dependent fMRI changes elicited by microstimulation of pulvinar and LIP. NeuroImage 240, 118283. doi.org/10.1016/j.neuroimage.2021.118283.

9.         Wilke, M., Kagan, I., and Andersen, R.A. (2012). Functional imaging reveals rapid reorganization of cortical activity after parietal inactivation in monkeys. Proceedings of the National Academy of Sciences 109, 8274–8279. doi.org/10.1073/pnas.1204789109.

10.       Christopoulos, V.N., Kagan, I., and Andersen, R.A. (2018). Lateral intraparietal area (LIP) is largely effector-specific in freechoice decisions. Scientific Reports 8. doi.org/10.1038/s41598-018-26366-9.

11.       Christopoulos, V.N., Bonaiuto, J., Kagan, I., and Andersen, R.A. (2015). Inactivation of parietal reach region affects reaching but not saccade choices in internally guided decisions. Journal of Neuroscience 35, 11719–11728. doi.org/10.1523/JNEUROSCI.1068-15.2015