
Buchtipps: Primatenliteratur und andere
Aktueller Buchtipp
Tilo Nadler: Lost and Found– The History of Extermination, Discovery and Rediscovery of Mammals in Vietnam
Das kleine Land Vietnam ist gehört zu den Hotspots der biologischen Diversität, die sich neben der Artenvielfalt durch einen besonders hohen Anteil endemischer Arten, d.h. Arten die nur dort vorkommen, auszeichnen. Viele dieser Arten wurden erst in den letzten 30 Jahren entdeckt und beschrieben und gelten bereits als bedroht. In seinem Buch „Lost and Found – The History of Extermination, Discovery and Rediscovery of Mammals in Vietnam“ hat Tilo Nadler akribisch alle verfügbaren Informationen zu den heute bekannten landlebenden Säugetieren Vietnams zusammengetragen, darunter 24 Primatenarten, von denen 22 als bedroht eingestuft werden.
Tilo Nadler kam 1991 nach Vietnam und gründete dort das Endangered Primate Rescue Center im Cuc Phuong National Park, in dem beschlagnahmte Primaten gepflegt und für eine Wiederauswilderung vorbereitet werden. Eine lange Geschichte wissenschaftlicher Kooperation verbindet Tilo Nadler mit dem DPZ, die in rund 40 gemeinsamen Publikationen dokumentiert wurde. Unter anderem wurden drei neue Primatenarten von ihm gemeinsam mit Christian Roos aus der Abteilung Primatengenetik beschrieben.
Das Buch bietet eine Fülle an Informationen und unterhaltsamen Geschichten zu den Säugetieren Vietnams. Neben der Geschichte ihrer Entdeckung und der heutigen Verbreitung und Bedrohung findet man auch Reproduktionen der historischen Originalbeschreibungen sowie Kurzbiographien der beteiligten Forschenden. Eingestreut sind einzelne persönliche Berichte von Forscher*innen und Naturschützer*innen, wie einem über 90jährigen ehemaligen Tigerjäger. Insgesamt ist so ein Buch entstanden, das man von vorn bis hinten durchlesen oder in dem man hier und dort schmökern kann. Wer herausfinden möchte, wie vor nur 15 Jahren der Gelbwangen Schopfgibbon entdeckt wurde, während zur selben Zeit das letzte Java Nashorn in Vietnam getötet wurde und was es mit dem mysteriösen Khting auf sich hat, ist das Buch „Lost and Found“ wärmstens zu empfehlen.
Tilo Nadler: Lost and Found – The History of Extermination, Discovery and Rediscovery of Mammals in Vietnam. Vietnam, Selbstverlag, 2022. ISBN 978-604-3-80986-2 (In Deutschland zu beziehen über Schüling Buchkurier.)
Weitere Buchtipps
Volker Sommer: Affen
Seit 10 Jahren gibt der Verlag Matthes & Seitz unter der Leitung von Judith Schalansky die Reihe „Naturkunden“ heraus und hat uns damit kurze, unterhaltsame Einblicke in Biologie unterschiedlichster Tier- und Pflanzenarten, von Kakteen über Quallen bis zu Faultieren gegeben. Da wurde es auch langsam Zeit, sich unserer nächsten Verwandtschaft, den Primaten, zu widmen. Dieser Aufgabe hat sich Volker Sommer angenommen, der uns bereits mehrfach mit biologisch fundierter, populärwissenschaftlicher Literatur versorgt hat. Das kleinformatige Büchlein „Affen“ ist nur 140 Seiten dick und versorgt die interessierten Leser*innen mit allem, was man so über Affen wissen möchte: Was sind Affen? Wo leben sie? Was fressen sie? Wie gehen sie miteinander um? Wie pflanzen sie sich fort? Wie gehen sie mit ihrem Nachwuchs um? Und schließlich - wie sterben sie? Am Ende stellt der Autor noch zehn besonders interessante Arten in Kurzportraits vor. Das Buch richtet sich nicht an ein Fachpublikum, sondern an naturinteressierte Laien. Es enthält nur wenige Fachbegriffe und ist eher ein literarisches denn ein wissenschaftliches Werk. Aber genau das macht den Reiz aus. Es läßt sich locker in zwei Stunden durchlesen und könnte damit auch den Kolleg*innen helfen, unsere Studienobjekte besser zu verstehen, die nicht gerade die organismischen Primatenbiologie erforschen. Wer also nur einen kurzen unterhaltsamen Überblick über die vielfältige Biologie der Affen, vom Mausmaki bis zur Weißnasenmeerkatze, sucht, ist mit dem Naturkundenband von Volker Sommer sehr gut versorgt.
Volker Sommer: Affen – Ein Portrait. Reihe: Judith Schalansky (Hrg.): Naturkunden. Matthes & Seitz, 2023. ISBN 978-3-7518-4003-3
Huang Songhe: An Encounter with the White-Headed Langurs
Der Weißkopflangur (Trachypithecus leucocephalus) ist einer der seltensten Primaten der Welt. Er kommt ausschließlich in einem kleinen Gebiet in Südchina vor, einer Karstlandschaft mit beeindruckend schroffen Felswänden, in denen sich die Languren akrobatisch fortbewegen. Huang Songhe, ein preisgekrönter chinesischer Naturfotograf, begleitete eine Gruppe Weißkopflanguren über drei Jahre hinweg. Dabei entstanden beeindruckende Aufnahmen der außergewöhnlich schönen Tiere in ihrem spektakulären Lebensraum. Der Text ist recht kurz gehalten und hätte vielleicht hier und da ein Lektorat vertragen können, aber letztendlich handelt es sich bei dem Werk um einen Bildband. So sollte man sich in erster Linie an den wirklich herausragend guten Aufnahmen erfreuen. Ich habe das Buch von der ersten bis zur letzten Seite genossen. Und es gibt bestimmt nur wenige Betrachter*innen, die bei den unfassbar niedlichen, quietschorangen Babys nicht hin und weg sind. Wie traurig, dass auch diese schönen Tiere vermutlich keine Zukunft mehr haben. Der Bestand der Weißkopflanguren ist innerhalb der letzten 36 Jahre um mehr als 80% zurückgegangen und besteht heute aus weniger als 250 erwachsenen Individuen. Trotz Bemühungen zum Schutz der Art, schrumpft ihr Lebensraum weiter zusammen und die Tiere werden illegal bejagd. So hat Huang Songhe mit seinem Bildband die Weißkopflanguren nicht nur einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht, sondern ihnen auch ein fotografisches Denkmal gesetzt.
Huang Songhe: An Encounter with the White-Headed Langurs. Royal Collins, 2022. ISBN 978-1-4878-0895-2
Birgit Ziegenhagen & Eckhard W. Heymann: Wie Monita zur Urwald-Superheldin wurde
Kleine Affen, die eine wichtige Rolle spielen bei der Regeneration des Regenwaldes am Amazonas? Wer die Forschung des DPZ an der Freilandstation in Peru über die letzten Jahrzehnte aufmerksam verfolgt oder die DPZ-Ausstellung „Im Urwald“ im letzten Winter besucht hat, wird bereits davon gehört haben. Nun können wir die Geschichte auch unseren jüngeren Kindern, Neffen, Nichten, Enkeln weitergeben. Unser Kollege im „Unruhestand“ Eckhard Heymann hat zusammen mit Birgit Ziegenhagen, einer ehemaligen Professorin der Uni Marburg, ein kleines, aber feines Kinderbüchlein verfasst, das sich mit dem Thema Samenausbreitung durch Schnurrbarttamarine beschäftigt. Es erzählt die Geschichte des kleinen Schnurrbarttamarinmädchens Monita, das zusammen mit seinen Freund*innen eine menschengemachte Lichtung im Urwald wieder „aufforsten“ möchte. Wie sie das macht, können jüngere Kinder ab 5 Jahre in dem kleinen Bändchen „Wie Monita zur Urwald-Superheldin wurde“ erfahren. Die Geschichte wurde liebevoll illustriert von Jakob Schieb. Das Buch wurde im Selbstverlag herausgegeben und ist über die Intitiative Mensch und Natur e.V. für 8,90€ zu beziehen, von denen 4,50€ in den Erhalt der Freilandstation EBQB in Peru fließen. Ein kleines Weihnachtsgeschenk, mit dem man gleichzeitig Gutes tun kann! Ein Ansichtsexemplar steht in der DPZ-Bibliothek.
Birgit Ziegenhagen & Eckhard W. Heymann: Wie Monita zur Urwald-Superheldin wurde. Initiative Mensch und Natur, 2023. Kontakt: infoIMUN@web.de