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Versuchstierzahlen 2022 veröffentlicht

Sieben Prozent weniger Tiere in Versuchen eingesetzt
Anzahl der Versuchstiere, die in Deutschland in 2022 in der Forschung verwendet wurden. Abbildung: Tierversuche verstehen
Trotz steigender Forschungsförderung sind die Versuchstierzahlen in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Grafik: Tierversuche verstehen
Trotz steigender Forschungsförderung sind die Versuchstierzahlen in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Grafik: Tierversuche verstehen
Belastungsgrade, denen Versuchstiere in 2022 ausgesetzt waren. Grafik: Tierversuche verstehen
Belastungsgrade, denen Versuchstiere in 2022 ausgesetzt waren. Grafik: Tierversuche verstehen
Forschungsbereiche in denen Versuchstiere 2022 eingesetzt wurden. Grafik: Tierversuche verstehen
Forschungsbereiche in denen Versuchstiere 2022 eingesetzt wurden. Grafik: Tierversuche verstehen
Anteil der verschiedenen Tiergruppen an Versuchstieren 2022. Grafik: Tierversuche verstehen
Anteil der verschiedenen Tiergruppen an Versuchstieren 2022. Grafik: Tierversuche verstehen

Die Zahl der Versuchstiere in Deutschland ist im Jahr 2022 weiter zurückgegangen. Damit setzt sich der Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort. Die Anzahl der in Tierversuchen eingesetzten Tiere sank um rund 7 Prozent auf 1.725.855 Millionen Tiere. Im Jahr 2021 waren es noch 1.859.475 Tiere. Das geht aus den Versuchstierzahlen hervor, die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am Montag veröffentlicht hat. Die Statistik enthält erneut auch Angaben über Tiere, die gezüchtet und getötet, aber nicht für wissenschaftliche Zwecke verwendet wurden. Die Zahl dieser nicht-verwendbaren Tiere sank ebenfalls – im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent auf 1.769.437 Tiere (2021: 2.554.560).

Zusätzlich enthält die vom BfR veröffentlichte Statistik viele weitere Information. So steigt die Zahl der zusätzlich für wissenschaftliche Zwecke getöteten Tiere, die nicht in Tierversuchen eingesetzt waren, um 11 Prozent von 644.207 auf 711.939. Dazu zählen zum Beispiel die Entnahme von Organen, Gewebeteilen und Zellen zur Herstellung von Zellkulturen und anderen tierversuchsfreien Forschungsmethoden. Zusammen mit den in Versuchen eingesetzten Tieren ergibt sich eine Gesamtzahl von 2.437.794 Millionen Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke genutzt wurden (2021: 2.503.682 Tiere).

„Zum erheblichen Rückgang bei den nicht verwendbaren Tieren um fast ein Drittel tragen mehrere Faktoren bei, darunter moderne Methoden wie die Genschere CRISPR/Cas, das Einfrieren von gen-verändertem Erbgut in flüssigem Stickstoff (Kryokonservierung) sowie eine weitere Optimierung der Zuchtplanung“, erläutert der Sprecher der Initiative Tierversuche verstehen, Prof. Stefan Treue. „Welche weiteren Faktoren noch eine Rolle spielen, bedarf mehr Daten und einer Analyse über mehrere Jahre“, so Treue weiter.

Von einer erfreulichen Verschiebung gekennzeichnet ist auch die Belastung von Tieren. Schwere Belastungen gingen auf einen Tiefststand von 3,6 Prozent zurück (Vorjahr 4,3 Prozent), die mittleren Belastungen wurden auf 25 Prozent reduziert (Vorjahr: 26 Prozent) und die Zahl der geringen Belastungen stieg auf 66 Prozent an (Vorjahr: 63 Prozent), der zweithöchste jemals gemessene Wert.

Auch der Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche – etwa zur Prüfung von Medikamenten oder Chemikalien – ist von einem anhaltenden Rückgang geprägt. Der Anteil dieser Tiere an der Gesamtzahl der Versuchstiere sank von 13 Prozent (2021) auf 11 Prozent. Hierzu trugen laut der Initiative Tierversuche verstehen auch der stetig zunehmende Einsatz von tierversuchsfreien Technologien bei.

Trotz Forschungs-Plus weniger Versuchstiere

Während die Versuchstierzahlen in den vergangenen Jahren stetig gesunken sind, steigt die Förderung biomedizinischer Forschung weiter erheblich an. So erhöhte die Bundesregierung die Ausgaben im Bereich Gesundheitsforschung in den vergangenen zehn Jahren von 1,85 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf nun 3,28 Milliarden Euro – ein Plus von 77 Prozent. „Der Anstieg der Forschung spiegelt sich jedoch nicht in mehr Tierversuchen wider. Strategien zur Reduzierung von Versuchstieren wie das 3R-Prinzip zeigen auch hier Wirkung“, erläutert Treue.

Wie in den vergangenen Jahren sind Mäuse, Ratten und Fische mit einem Anteil von 93 % weiterhin die mit Abstand am häufigsten eingesetzten Versuchstiere. Am Deutlichsten ging die Zahl der Ratten zurück (-19 Prozent). Fische sind damit nun die am zweithäufigsten eingesetzten Tiere. Die ohnehin niedrige Zahl von Katzen in Tierversuchen ging in 2022 noch einmal deutlich zurück (- 38 Prozent), während die Zahl der Hunde leicht (+ 8 Prozent) angestiegen ist. Die Tests von neuen Human- und Tier-Medikamenten an Hunden ging zurück, jedoch wurden mehr Hunde vor allem in der Aus- oder Weiterbildung von Tierärzt*innen und Tierpfleger*innen eingesetzt. Auch bei den Primaten gab es einen Zuwachs (+18 Prozent), der aber den Abwärtstrend der vergangenen Jahre nicht rückgängig macht. Nach wie vor werden Primaten ganz überwiegend (86 Prozent) für Tests in der Human-Medizin eingesetzt.

Sichtbare Fortschritte im Tierschutz

Von jährlich stark variierenden Zahlen geprägt sind Versuche zum Arten- und Umweltschutz. Diese Versuche brauchen oftmals große Tierzahlen bei einer sehr geringen Belastung. Dazu gehören z.B. Studien an Fischen bei der Entwicklung von tiergerechten Fischtreppen an Staustufen. Konkret sank die Zahl in diesem Bereich um mehr als die Hälfte auf 17.470 Tiere (2021: 36.783 Tiere).

„Die Zahlen zeigen, dass die Forschung den Tierschutz ernst nimmt“, sagte der Sprecher der Initiative Tierversuche verstehen, Prof. Stefan Treue. „Es gelingt uns, bei den Bemühungen um die Vereinbarkeit von Tierschutz und wissenschaftlichem Fortschritt weiter voranzukommen.“

Die rückläufigen Zahlen unterstreichen auch den Erfolg der Forschenden, Versuchstierzahlen durch zusätzliche und bessere Ersatzmethoden zu reduzieren. „Daraus einen bald möglichen Verzicht aller Tierversuche abzuleiten, wäre aber Wunschdenken“, betont Treue.

Auch die EU-Kommission würdigt die Bemühungen der Wissenschaft, bessere tierversuchsfreie Technologien zu entwickeln. In ihrer Antwort auf die Europäische Bürgerinitiative "Save Cruelty-free Cosmetics" schreibt die Kommission: „Bei der Entwicklung von Alternativen sind bedeutende Fortschritte erzielt worden, aber zum jetzigen Zeitpunkt sind Tiermodelle für das Verständnis komplexerer biologischer oder physiologischer Prozesse im Zusammenhang mit Gesundheit, Krankheit und biologischer Vielfalt nach wie vor unvermeidbar.“ Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei keine Vorhersage darüber möglich, wann wissenschaftlich valide Methoden, die bestimmte Tierversuchsverfahren in der Forschung ersetzen können, zur Verfügung stehen werden. Die Kommission lehnte daher einen starren Ausstiegsplan mit einem festen Enddatum für wissenschaftliche Versuche ab.