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Versuchstierstatistik 2014 - Landwirtschaftsministerium legt Zahlen vor

Tierversuche auch an Instituten der Leibniz-Gemeinschaft. Tierschutz und Transparenz haben höchste Priorität.
Alzheimerforschung: Eine Maus bei einem Verhaltensexperiment in einem Wasserbecken am Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg. © Center for Behavioral Brain Sciences, OVGU Magdeburg, Foto: D. Mahler.
Rhesusaffen am Deutschen Primatenzentrum, Göttingen. Foto: Anton Säckl.
Rhesusaffen am Deutschen Primatenzentrum, Göttingen. Foto: Anton Säckl.

Heute hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Versuchstierzahlen für 2014 veröffentlicht. Mit 2.798.463 Tieren, die für wissenschaftliche Studien verwendet wurden, sind die Zahlen rückläufig (2013: 2.997.152). Zusätzlich gibt es dabei aufgrund des neuen Tierschutzgesetzes 2014 ein neues Verfahren, so dass Daten mehrfach gezählt werden. Wie in den Vorjahren entfällt etwa nur ein Drittel aller Tierversuche auf die wissenschaftlich besonders bedeutsame Grundlagenforschung, woran auch rund 20 Institute der Leibniz-Gemeinschaft beteiligt sind. Dabei machen hier Nagetiere wie Mäuse und Ratten mit 83 Prozent weiterhin die große Mehrheit der Versuchstiere aus. Andere Wirbeltiere wie Affen werden nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Um die Öffentlichkeit über Tierversuche besser zu informieren, hat die Leibniz-Gemeinschaft eine Themenseite auf ihrer Website eingerichtet. Dort berichten Leibniz-Wissenschaftler in Videointerviews über ihre Forschung, für die sie auf Tierversuche angewiesen sind.

An rund 20 der insgesamt 89 Leibniz-Institute finden Tierversuche statt; das sind insbesondere die lebens- und umweltwissenschaftlichen Institute. Das Spektrum reicht dabei von Neurowissenschaften über Altersforschung und Infektionskrankheiten bis hin zur Verhaltensforschung und Nutztierbiologie. „Die Forschung ist auf Tierversuche angewiesen, da sich nicht alle Vorgänge im lebenden Körper im Reagenzglas oder auf dem Computer simulieren lassen“, sagt Stefan Treue, Präsidiumsbeauftragter der Leibniz-Gemeinschaft für Tierschutz und Direktor des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen. „Das Wohlergehen und der bestmögliche Umgang mit den Versuchstieren hat höchste Priorität. Daher werden Tierpfleger, Tierärzte und Wissenschaftler im Umgang mit Versuchstieren gezielt ausgebildet und die Forschung von den Tierschutzbeauftragten der Leibniz-Institute begleitet“, so Treue. Jeder Versuch, für den in Deutschland Wirbeltiere eingesetzt werden, muss von der zuständigen Landesbehörde genehmigt und die Zahl der eingesetzten Tiere gemeldet werden. Entscheidend ist: Er wird nur dann genehmigt, wenn die Wissenschaftler begründen können, dass es keine alternative Methode gibt und dass das Leid der Tiere auf ein Minimum reduziert wird. Außerdem muss der Tierversuch ethisch vertretbar sein. Eine unabhängige Kommission, der auch Tierschutzvertreter angehören, prüft, ob der Zweck des Tierversuchs den Einsatz der Tiere rechtfertigt.

Veränderte Zählweise
Aufgrund der Anpassung des deutschen Tierschutzgesetzes an die EU-Direktive zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere hat sich die Zählweise der Versuchstiere 2014 verändert. So wurden bis einschließlich 2013 diejenigen Tiere erfasst, mit denen ein Versuch begonnen wurde, während die Tiere seit 2014 erst dann gemeldet werden, wenn der Versuch abgeschlossen ist. Dies führt dazu, dass einige Tiere in der Übergangszeit doppelt und sogar dreifach gezählt werden. Auch hat sich die Zählung der sogenannten transgenen Tiere geändert. So werden Zuchttiere nun teilweise mitgezählt. Das schlägt sich in einer höheren Versuchstierzahl nieder, ohne dass wirklich mehr Tiere zu Tierversuchen herangezogen wurden. Ein weiterer Unterschied betrifft die nicht-invasiven Untersuchungen, also zum Beispiel Verhaltensstudien. Diese werden nun in einigen Bundesländern mitgezählt, in anderen nicht.

68 Prozent der Versuchstiere sind Mäuse. 0,1 Prozent sind Affen
Ein Großteil der tierexperimentellen Forschung wird mit Nagern durchgeführt; insbesondere mit Mäusen. Affen stellen nur ein Tausendstel aller Versuchstiere in Deutschland dar. „In der Grundlagenforschung werden Primaten nur in Versuchen verwendet, die wissenschaftlich äußerst bedeutsam und unverzichtbar sind“, sagt Stefan Treue. „Will man beispielsweise höhere kognitive Leistungen untersuchen, um Demenz auf die Spur zu kommen, muss man auch Affen hinzuziehen, da nur diese Tiere in Aufbau und Funktion den menschlichen Hirnleistungen nahe kommen.“ Auch bestimmte Krankheiten, an denen nur Menschen und Affen erkranken können wie AIDS oder Ebola, werden an nicht-menschlichen Primaten erforscht. Versuche an Menschenaffen, also Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans oder Bonobos, finden Treue zufolge schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in Europa statt und wären auch nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt.

Transgene Tiere
Transgene Tiere haben ein verändertes Erbgut. So ist beispielsweise ein Gen ausgeschaltet, das Krebs verursachen könnte oder es existiert ein menschliches Gen, dass Diabetes hervorruft. „Die Untersuchung von transgenen Mäusen ermöglicht es uns, schwere menschliche Erkrankungen mit einem spezifischen Tiermodell zu erforschen. Das bedeutet, dass wir weniger Tiere einsetzen müssen, als dies bei einem klassischen Krankheitsmodell der Fall ist’“, sagt Dirk Montag, der am Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg an Alzheimer forscht.

Tierversuche in der Industrie
Etwa zwei Drittel der Versuchstiere werden in der Industrie zur Erforschung und Entwicklung von Produkten für die Human- und Tiermedizin oder zur Sicherheitsprüfung von Medikamenten und Umweltgiften eingesetzt. Die wissenschaftliche Basis für diese Untersuchungen und für zukünftige biomedizinische Fortschritte liefert die Grundlagenforschung, die auf etwa 30 Prozent der Versuchstiere beruht.

Alternativmethoden
Alternative Methoden, die ohne den Einsatz von Tieren auskommen, sind in der Wissenschaft sehr willkommen, erlauben sie nicht zuletzt auch eine einfachere, schnellere und kostengünstigere Art, Daten zu gewinnen. Zum Beispiel hat die Herstellung von Haut aus Stammzellen bestimmte Versuche mit Ratten oder Mäusen überflüssig gemacht. Am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund gewann eine Forschungsgruppe Zellen aus harnableitenden Geweben (Urothelzellkulturen). Diese können dazu verwendet werden, die Wirkung von gefährlichen Chemikalien auf die Harnblase zu untersuchen, ohne dafür Versuchstiere einzusetzen. Nicht zuletzt erlaubt der Einsatz moderner Kernspintomografen einen Blick in den lebenden Körper, ohne einen Eingriff am Tier vornehmen zu müssen. Sowohl am Leibniz-Institut für Neurobiologie als auch am Deutschen Primatenzentrum, dem Leibniz- Institut für Primatenforschung, kommt diese Technik zum Einsatz.