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Infektionsmodelle

Immortalisierte Zelllinien finden häufig Einsatz in der Infektionsforschung. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind jedoch begrenzt, insbesondere bei der Untersuchung der Immunantwort von Mensch oder Tier auf eine Virusinfektion. Die Immunantwort ist ein komplexes Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Komponenten des Immunsystems und kann bisher nicht vollständig in Zellkultursystemen nachgebildet werden. Darüber hinaus geht in immortalisierten Zelllinien die Vielfalt der Zelltypen verloren und es kann zu Veränderungen in den Expressionsmustern zellulärer Proteine kommen. Insbesondere bei Zellen aus dem Respirationstrakt gehen charakteristische Eigenschaften wie die Fähigkeit zur Mukusproduktion oder Flimmerhärchen verloren. Daher können Zellkulturen die Situation bestimmter Organe in vivo nicht oder nur unzureichend widerspiegeln. Für tiefergreifende Untersuchungen zu Erreger-Wirts-Interaktionen ist häufig der Einsatz von Modellen unumgänglich, die die Situation im lebenden Organismus möglichst gut abbilden.

Unsere Plattform hat die Hauptaufgabe, verschiedene Modelle für die Infektionsforschung zu etablieren und kontinuierlich weiterzuentwickeln unter ständiger Berücksichtigung des 4R-Prinzips (Replacement, Reduction, Refinement, Responsibility). Unsere Modelle umfassen sowohl in vivo Modelle in nicht-menschlichen Primaten (NHP) als auch ex vivo Modelle mit Primärzellkulturen.

Je nach wissenschaftlicher Fragestellung kommen für die Infektionsforschung verschiedene Modelle in Betracht. Immortalisierte Zelllinien eignen sich für Untersuchungen zur Erreger-Wirtsinteraktion und zur Vortestung antiviraler Substanzen. Durch die Immortalisierung kann sich die Zellphysiologie so weit verändern, dass es zu Zellkulturartefakten kommt und die so gewonnen Ergebnisse sich nicht auf die in vivo-Situation übertragen lassen. Im Idealfall sollten daher Ergebnisse, die in immortalisierten Zelllinien gewonnen wurden, in komplexeren Infektionsmodellen wie z.B. Primärkulturen bestätigt werden. Primäre Zellkulturen spiegeln die in vivo Situation ausgewählter Organe sehr gut wieder; je nach Kultur bleibt der organtypische Zellverband vollständig erhalten. Die Zellen sind im Gegensatz zu immortalisierten Zellen unverändert und besitzen weiterhin ihrer spezifische Physiologie und Funktion. Dadurch, dass primäre Zellkulturen aus Organproben wie z.B. Biopsiematerial oder aus frisch verstorbenen Organismen gewonnen werden können, werden keine Versuchstiere für die Erzeugung dieser Kulturen benötigt. In vivo-Modelle besitzen die höchste Komplexität und eignen sich insbesondere für Fragestellungen, die die Übertragung, Pathogenese und Immunantwort von Infektionskrankheiten betreffen. Aus ethischen und tierschutz-rechtlichen Gründen dürfen in vivo-Modelle nur verwendet werden, wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse (i) bislang nicht ausreichend bekannt sind, (ii) einen Nutzen für die Gesundheit von Mensch oder Tier haben und (iii) nicht durch ein anderes, weniger komplexes Modell, gewonnen werden können.

NHP-Modelle

Primaten sind aufgrund ihrer engen evolutionären Verwandtschaft zum Menschen sehr gut geeignet, um die verschiedenen Aspekte von Infektionskrankheiten beim Menschen zu untersuchen und nachzuvollziehen.  Dazu gehören Übertragungswege, Krankheitsentwicklung und therapeutische Ansätze wie der Einsatz von monoklonalen Antikörpern gegen spezifische Virusinfektionen oder die Testung neuer Immunisierungsstrategien und Impfstoffe zur antiviralen Prophylaxe.

Die Wahl des Primatenmodells hängt von der spezifischen Fragestellung und dem zu untersuchenden Erreger ab. Rhesusaffen, Javaneraffen und Krallenaffen zählen hierbei zu den am häufigsten eingesetzten Tiermodellen. Unsere Einrichtungen ermöglichen uns die Durchführung und Auswertung von Infektionsversuchen mit biologischen und gentechnisch veränderten Erregern der Schutzstufen 1-3 gemäß den Bestimmungen der Biostoffverordnung, der Tierseuchenerregerverordnung und des Gentechnikgesetzes.

Zu den bereits etablierten Modellen in Rhesus- und Javaneraffen gehören zum Beispiel das SIV/HIV (Simian/human immunodeficiency virus)-Primatenmodell zur Untersuchung von HIV, die Erforschung neuer Therapiemöglichkeiten mit Adeno-assoziierten Viren (AAV) sowie Infektionsmodelle für verschiedene respiratorische Viren wie das respiratorischen Synzytialvirus (RSV), Influenza-A Viren (FluA) und SARS-CoV-2. Es wurde auch ein Modell mit Krallenaffen zur Erforschung des Kaposi-Sarkoms etabliert.

Zur routinemäßigen Gewinnung von Probematerialien werden hauptsächlich Blutentnahmen, Tupferproben, Urinproben, bronchoalveoläre Lavagen und je nach Fragestellung und Erreger Knochenmarkpunktionen, Gewinnung von Cerebrospinalflüssigkeit und Lymphknotenbiopsien unter Injektionsnarkose durchgeführt. Größere chirurgische Eingriffe finden unter Inhalationsnarkose und kontinuierlicher Überwachung der Narkose statt.

Primäre Zellkulturen

Primäre Zellkulturen bieten in bestimmten Fällen eine Alternative zu Infektionsstudien in Tiermodellen und tragen somit zur Reduzierung der Anzahl von Versuchstieren gemäß dem 4R-Prinzip bei. Unser Hauptfokus liegt dabei auf Primärkulturen des Respirationstrakts. Insbesondere Präzisions-Lungenschnitte (PCLS) sind ein ex vivo Modell, das es uns ermöglicht, die allgemeine Anfälligkeit von Lungenzellen für bestimmte respiratorische Erreger zu untersuchen, Zielzellen zu identifizieren und antivirale Wirkstoffe in einem Setting zu testen, das die Bedingungen der Lunge möglichst realistisch widerspiegelt.

 

PCLS stellen ein ex vivo Modell für die Untersuchung von respiratorischen Erkrankungen dar. A) PCLS können aus Lungengewebe von lebenden und frisch verstorbenen Organismen generiert werden. Die Schnitte besitzen eine Dicke von circa 250 µm. Für die Infektionsforschung sind insbesondere die Bronchien und die verschiedenen Zelltypen, die das Lumen (Lu) der Bronchien säumen, von Interesse. B) Das Lumen der Bronchien ist umgeben von dem zilientragenden Flimmerepithel (hier angefärbt in rot) und Mukus-produzierenden Zellen. Mukus und Zilien stellen wichtige Abwehrmechanismen des Respirationstrakts dar und schützen vor Fremdkörpern und Infektionserregern. C) Das Flimmerepithel (Pfeil) säumt den Bronchus einer gesunden Lunge. D) Im Lumen des Bronchus sind nach Virusinfektion abgestorbene Zellen des Flimmerepithels zu finden. Durch das Absterben der Zellen ist der lokale Abwehrmechanismus der Lunge beeinträchtigt.

Ausgewählte Publikationen:

Färber I, Krüger J, Rocha C, Armando F, von Köckritz-Blickwede M, Pöhlmann S, Braun A, Baumgärtner W, Runft S, Krüger N. „Investigations on SARS-CoV-2 Susceptibility of Domestic and Wild Animals Using Primary Cell Culture Models Derived from the Upper and Lower Respiratory Tract.” Viruses. 2022 Apr 16;14(4):828. doi: 10.3390/v14040828.

Krüger N, Rocha C, Runft S, Krüger J, Färber I, Armando F, Leitzen E, Brogden G, Gerold G, Pöhlmann S, Hoffmann M, Baumgärtner W. „The Upper Respiratory Tract of Felids Is Highly Susceptible to SARS-CoV-2 Infection.” Int J Mol Sci. 2021 Sep 30;22(19):10636. doi: 10.3390/ijms221910636.

Hempel T, Elez K, Krüger N, Raich L, Shrimp JH, Danov O, Jonigk D, Braun A, Shen M, Hall MD, Pöhlmann S, Hoffmann M, Noé F. „Synergistic inhibition of SARS-CoV-2 cell entry by otamixaban and covalent protease inhibitors: pre-clinical assessment of pharmacological and molecular properties.” Chem Sci. 2021 Aug 26;12(38):12600-12609. doi: 10.1039/d1sc01494c.