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Stammzellen - woher und wofür?

Adulte Stammzellen

Die meisten der mehr als 10 Billionen (10.000.000.000.000)  Zellen, die unseren Körper ausmachen, sind spezialisierte Zellen. Muskelzellen z.B. können kontrahieren, rote Blutkörperchen können Sauerstoff transportieren, Leberzellen produzieren Gallenflüssigkeit und lagern Glykogen ein. Bis zum heutigen Tag konnten hunderte unterschiedlich spezialisierte Zelltypen des Säugetierkörpers beschrieben werden.

(c) Stammzellbiologie

Im Gegensatz zu diesen spezialisierten Zelltypen existieren auch funktionell unspezialisierte Zellen, so genannte Stamm-zellen. Stammzellen sind dadurch charakterisiert, dass sie sich durch Zellteilung selbst erneuern und dabei gleichzeitig spezialisierte (differenzierte) Tochterzellen hervorbringen können. Sie sind in jedem Organ zu finden und dienen entweder der natürlichen Erneuerung der normalen Zellpopulation oder der Geweberegeneration nach Verletzungen.

(c) Stammzellbiologie
Samenkanäle eines Säugetierhodens im Querschnitt: Spermatogoniale Stammzellen (braun) als ein Beispiel für unipotente Stammzellen. Sie bringen über Zwischenstufen, in denen die Meiose erfolgt, nur einen einzigen Zelltyp hervor: Spermien (rote Pfeile).

Diese adulten Stammzellen sind in ihrer Fähigkeit, verschiedene Zelltypen zu entwickeln, auf die Zellen eines bestimmten Organs eingeschränkt. Ihre Tochterzellen können dabei entweder einen (unipotente Stammzellen) oder auch mehrere (multipotente Stammzellen) Zelltypen neu bilden. Adulte Stammzellen können sich also unter normalen Bedingungen nicht zu Zellen entwickeln (differenzieren), die typisch für ein anderes Organ oder Gewebe sind. Die meistuntersuchte adulte Stammzelle ist die hämatopoietische Stammzelle, die als Vorläufer aller adulten Blutzellen gilt. Sie ist auch die einzige Stammzelle, die bisher in der Humanmedizin (im Rahmen von Knochenmarktransplantationen) regelmäßig therapeutische Anwendung findet.

Embryonale Stammzellen (ESC)

Im Gegensatz zu adulten Stammzellen, die in ihrer Entwicklungsfähigkeit relativ eingeschränkt sind, erscheinen embryonale Stammzellen (ESC) in ihren Differenzierungsmöglichkeiten in spezialisierte Zellen völlig uneingeschränkt – sie sind pluripotent. Das bedeutet, dass sie sich zu allen Zellen eines adulten Körpers entwickeln können. ESC werden aus einem sehr frühen Embryonalstadium isoliert (siehe Abbildung). Diese frühen Stadien werden bei Primaten etwa fünf bis acht Tage nach der Befruchtung einer Eizelle erreicht, und die Embryonen bestehen dann aus wenigen Zellen. Die Embryonen haben einen mikroskopisch kleinen Durchmesser von ca. 0,1 mm. In diesem Entwicklungsstadium sind die Zellen, die später den Körper des Geborenen bilden, noch unspezialisiert (undifferenziert). Jede einzelne Embryonalzelle in diesen sehr frühen Stadien kann sich also zu jeder Zelle des erwachsenen Körpers entwickeln. Interessanterweise behalten ESC diese Fähigkeit in vitro, also in Zellkultur, über sehr lange Zeiträume, während ihre Gegenstücke in der normalen Embryonalentwicklung schon nach wenigen Tagen diese Fähigkeit verlieren. Aus embryonalen Stammzellen sind bis heute sehr viele differenzierte Zelltypen des menschlichen Körpers hergestellt worden.

(c) Stammzellbiologie
Ein etwa drei Tage alter Embryo eines Weißbüschelaffen.
(c) Stammzellbiologie
Kolonie embryonaler Stammzellen des Weißbüschelaffen

Die Herstellung und Nutzung menschlicher ES-Zelllinien ist ethisch sehr umstritten und in Deutschland durch das Deutsche Embryonenschutzgesetz verboten. Menschliche Embryonen dürfen danach ausschließlich zur Herbeiführung einer Schwangerschaft der Frau verwendet werden, von der auch die Eizelle stammt. Allerdings hat der Gesetzgeber im „Gesetz zur Sicherstellung des Embryonen- schutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen“, kurz Stammzellgesetz, geregelt, dass unter bestimmten Bedingungen menschliche ESC für hochrangige Forschungsziele aus dem Ausland nach Deutschland importiert werden dürfen. Die Abteilung Stammzellbiologie macht davon jedoch keinen Gebrauch. Wir beschränken uns auf die Arbeit mit Stammzellen von nicht-menschlichen Primaten.

Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen)

Seit wenigen Jahren ist es möglich, adulte (differenzierte) Zellen wieder zu pluripotenten Stammzellen zu reprogrammieren. Was bedeutet das? Es können zum Beispiel ethisch unbedenkliche Bindege- webszellen der Haut in Zellkultur gehalten werden. Wenn man in diese Bindegewebszellen Gene einschleust, die normalerweise nur in embryonalen Stammzellen hoch aktiv sind, werden diese Zellen wieder pluripotent. In anderen Worten: sie werden in einen ursprünglichen Zustand zurückversetzt und sind in ihren Differenzierungsmöglichkeiten in spezialisierte Zellen wieder völlig uneingeschränkt. Wie ESC können sich auch iPSC zu allen Zellen eines adulten Körpers entwickeln. Da für die Gewin- nung von iPSC keine Embryonen benötigt werden, ist die Forschung mit menschlichen iPSC in Deutschland, im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen, rechtlich nicht eingeschränkt. Für die revolutionäre Entdeckung und Entwicklung der iPS-Zellgenerierung wurde dem Japaner Shinya Yamanaka im Jahr 2012 der Nobelpreis für Medizin und Physiologie verliehen.

Wofür?

Pluripotente Stammzellen lassen sich in viele auch klinisch bedeutsame Zelltypen differenzieren. Dazu gehören Nervenzellen oder auch Herzmuskelzellen. Diese Möglichkeit weckt bei vielen Menschen große Hoffnungen hinsichtlich der Behandlung einiger schwerwiegender Erkrankungen. Es ist tatsächlich denkbar, z.B. abgestorbenes Herzgewebe durch neues (in Zellkultur generiertes) Herzgewebe zu ersetzen. Diese möglichen neuen Therapien bedürfen jedoch hinsichtlich ihrer Sicherheit und Wirksamkeit noch langfristiger präklinischer Tests in geeigneten Tiermodellen.