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Europäischer Forschungsrat fördert Caspar Schwiedrzik für die Erforschung flexiblen Lernens
Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert Dr. Caspar Schwiedrzik, Nachwuchsgruppenleiter am European Neuroscience Institute (ENI), einer Kooperation der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und der Max-Planck-Gesellschaft, und am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung, für seine „exzellente“ Grundlagenforschung mit einer der höchsten Anerkennungen innerhalb Europas. Für die Erforschung der Lernprozesse von Menschen, Rhesusaffen und in Computermodellen erhält er einen ERC Consolidator Grant über zwei Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren. Dies ist bereits die zweite Förderung des ERC für Dr. Schwiedrzik.
Im Laufe unseres Lebens erlernen wir viele verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten. Oft werden für zwei verschiedene Aufgaben dieselben Informationen benötigt. Zum Beispiel lernen Radiolog*innen während ihres Studiums, auf Röntgenbildern gutartige von bösartigen Tumoren anhand ihrer Form zu unterschieden. In anderen Situationen müssen Radiolog*innen jedoch andere Eigenschaften der Röntgenbilder beachten, um zum Beispiel Verkalkungen zu begutachten. Um beide Aufgaben ausführen zu können, müssen sie also lernen, flexibel Entscheidungen treffen zu können.
Im Projekt DimLearn („Flexible Dimensionality of Representational Spaces in Category Learning“) untersucht ein Team aus Neurowissenschaftler*innen um Dr. Caspar Schwiedrzik, wie flexibel unsere Gedanken und unsere Wahrnehmung sind und was die neuronale Grundlage für eine solche Flexibilität ist. Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert das von der UMG-koordinierte Projekt mit einen ERC Consolidator Grant über zwei Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren, einer der höchsten Auszeichnungen im europäischen Raum für exzellente Wissenschaftler*innen. Dies ist bereits die zweite Förderung für Dr. Schwiedrzik, der im Jahr 2018 einen ERC Starting Grant für seine Forschung erhielt und in Göttingen die Nachwuchsgruppen „Neural Circuits and Cognition“ am European Neuroscience Institute (ENI), einer Kooperation der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und der Max-Planck-Gesellschaft, und „Perception and Plasticity“ am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung leitet. „Ich freue mich und fühle mich geehrt, dass der Europäische Forschungsrat meine Forschungsleistung erneut würdigt und die Umsetzung des neuen Projekts ermöglicht“, sagt Dr. Caspar Schwiedrzik.
Das DIMLEARN-Projekt
Im Projekt “DimLearn” wird sogenanntes „kategorisches Lernen“ untersucht. Hierbei lernt man, unterschiedliche Reize in Kategorien zusammenzufassen. Es ist bereits bekannt, dass diese Form des Lernens den präfrontalen Kortex im vorderen Bereich des Gehirns benötigt, der auch eine entscheidende Rolle für das Arbeitsgedächtnis spielt. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass bei diesem Lernprozess auch das Sehzentrum des Gehirns beteiligt ist. Um die Flexibilität der verschiedenen Hirnareale zu untersuchen und dadurch Rückschlüsse auf den Lernprozess zu ziehen, werden Menschen, Rhesusaffen und Computermodelle darin trainiert, nacheinander unterschiedliche Aufgaben auf der Basis derselben visuellen Informationen zu erlernen. „Dies erlaubt es uns, zu verstehen, wie wir die Vielzahl von Aufgaben bewältigen, die im Laufe unseres Lebens anfallen, und die neuronalen Mechanismen zu entschlüsseln, die unsere mentale Flexibilität ermöglichen“, sagt Dr. Schwiedrzik.
Das Besondere an diesem Projekt ist die Kombination von Studien an Menschen und Rhesusaffen sowie die Überführung der Daten in Computermodelle. Für diese Kombination bietet der Göttingen Campus mit seiner engen Zusammenarbeit zwischen einer forschungsstarken Universitätsmedizin, dem international einmaligen Primatenzentrum und einer leistungsfähigen Computerwissenschaft hervorragende Bedingungen. An menschlichen Probanden wird mit Hilfe von bildgebenden Verfahren untersucht, welche Hirnareale an verschiedenen Lernaufgaben beteiligt sind und wie flexibel sich die Gehirnaktivität im Laufe des Lernens und bei neuen Aufgaben verändert. Detaillierte Untersuchungen zur Aktivität einzelner Nervenzellen sind im Menschen jedoch nicht möglich, hier setzen Studien an Rhesusaffen an, die eine dem Menschen sehr ähnliche Gehirnstruktur aufweisen. Die Tiere lernen die gleichen Aufgaben wie die menschlichen Probanden, hier wird jedoch zusätzlich mittels Mikroelektroden die Aktivitäten einzelner Nervenzellen gemessen. „Dies ist notwendig, um nicht nur herauszufinden, wo im Gehirn Lernprozesse stattfinden, sondern auch zu verstehen, welche neuronalen Bausteine ineinandergreifen müssen, um diese Lernprozesse zu ermöglichen“, sagt Dr. Caspar Schwiedrzik.
Die geplanten Simulationen mit Computermodellen dienen dazu, die experimentellen Daten mit verschiedenen Lerntheorien in Verbindung zu bringen. Dazu werden die Computermodelle trainiert, das Verhalten der Versuchspersonen beziehungsweise die neuronale Aktivität der Rhesusaffen zu replizieren. Anschließend werden die so entstandenen künstlichen neuronalen Netzwerke hinsichtlich ihrer Struktur und Dynamik untersucht. Durch dieses Vorgehen kann eine Vielzahl von Experimenten auf dem Computer und nicht im Labor durchgeführt werden.
Zur Person
Dr. Caspar Schwiedrzik, Jahrgang 1983, studierte von 2003 bis 2008 Psychologie mit den Schwerpunkten kognitive Neurowissenschaften und klinische Neuropsychologie an der Universität Konstanz und promovierte 2011 am Max-Planck-Institut für Hirnforschung und der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Von 2012 bis 2016 forschte er an der New Yorker Rockefeller University. Seit Januar 2017 leitet er die Arbeitsgruppe „Neural Circuits and Cognition“ am European Neuroscience Institute (ENI), einer Kooperation der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und der Max-Planck-Gesellschaft, und seit Februar 2019 auch die Nachwuchsgruppe "Perception and Plasticity" am Deutsches Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung.
Über die ERC Consolidator Grants
Die Europäische Kommission hat den ERC 2007 eingerichtet, um herausragende Wissenschaftler*innen mit innovativen Forschungsprojekten zu fördern. Mit den ERC Consolidator Grants werden exzellente Wissenschaftler*innen gefördert, deren eigene unabhängige Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Die Fördersumme beträgt zirka zwei Millionen Euro für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren.