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Prionen-Erkrankungen: Der Kampf gegen die Löcher im Gehirn

Das Foto zeigt Prion-Proteine in rot in Nervenzellen von Mäusen.
Vier Nervenzellen einer Maus. Die Infektiosität der Prion-Proteine (rot) ist gut daran zu erkennen, wie sich die Proteine über die Neuriten zu den Nachbarzellen fortbewegen. Foto: NIAID

Zuerst vergessen die Betroffenen Kleinigkeiten. Wo der Schlüssel liegt oder wie der Weg zu einem Freund verläuft. Danach vergessen sie zum Beispiel, wie man eine Hose benutzt und stolpern beim Gehen – und am Ende haben sie sogar die Erinnerung an ihre Ehepartner und Kinder, ihr ganzes selbstbestimmtes Leben völlig verloren und können nicht einmal mehr einen Arm heben. Die Rede ist von Patienten mit Prionen-Erkrankungen wie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK). Diese neurodegenerative Erkrankungen des Gehirns ist recht selten, aber nicht heilbar. Etwa einer aus einer Million Menschen erkrankt daran. Zur Erforschung sowohl der Krankheitsentstehung, der Übertragbarkeit und der Diagnostik und Behandlung waren und sind Versuche mit nicht-menschlichen Primaten unverzichtbar.

Prionenkrankheiten wie CJK werden auch transmissive (übertragbare) spongiforme Enzephalopathien genannt (TSE) und sind nicht nur innerhalb einer Spezies (also zum Beispiel von Mensch zu Mensch), sondern auch von einer Art zur nächsten (zum Beispiel vom Rind auf den Menschen im Falle von BSE oder Rinderwahnsinn) übertragbar. Ursache dieser Krankheiten sind nach dem aktuellen Stand der Forschung Prionen. Dabei handelt es sich um Eiweißstrukturen (also nicht wie Viren oder Bakterien um Lebewesen), die natürlicherweise im menschlichen und tierischen Körper vorkommen. Sie können sich aber – aus bislang ungeklärten Gründen – in krankmachende Eiweiße verwandeln und Schaden anrichten, indem sie beginnen, sich anders zu falten als zuvor. So schädigen Prionen dann im Falle von CJK das Gehirn: Es lagert sich verklumptes Eiweiß ab, Hirnzellen gehen zugrunde, das Gewebe verändert sich, wird löchrig und "schwammartig" (spongiform).

Obwohl Prionenkrankheiten in der Regel zu den Infektionskrankheiten gezählt werden, werden sie nicht in jedem Fall von einem auf den anderen Organismus übertragen. Sie können auch erblich bedingt sein oder spontan entstehen.

Sporadische Form: Am häufigsten tritt eine CJK spontan ohne erkennbare Ursache auf (sporadische Prionenerkrankung). Statistisch passiert das in Deutschland wie erwähnt etwa einem von einer Million Menschen pro Jahr. Betroffen sind vor allem 60- bis 70-Jährige. Meist beträgt die Überlebenszeit weniger als ein Jahr.

Vererbte Form: Seltener ist eine vererbte (genetische) Prionenerkrankung wie die genetische CJK, das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) oder die Letale familiäre Insomnie (FFI). Die Betroffenen sind im Durchschnitt etwas jünger als bei der sporadischen Erkrankungsform und der Verlauf ist langsamer.

Übertragene Form: Manchmal werden Prionen von einem Menschen auf einen anderen übertragen. Eine solche übertragene Form der CJK kann zum Beispiel bei medizinischen Behandlungen entstehen: durch verunreinigte Instrumente bei Hirnoperationen, durch Transplantation von harter Hirnhaut oder durch Wachstumshormon, das aus menschlichen Hypophysen hergestellt wurde. Auch eine Übertragung durch Blutspenden ist bereits festgestellt worden.

Rinderwahnsinn BSE - Übertragbar auf den Menschen?

In diesem Video von "Spiegel TV" wird die britische (und später europäische) BSE-Krise der 90er Jahre rekapituliert und die Frage nach der Übertragbarkeit der Rinderkrankheit BSE auf den Menschen diskutiert.

Die Erforschung der Prionen-Erkrankungen stellte sich für Wissenschaftler von Beginn im frühen 20. Jahrhundert an als schwierig dar, weil die Erreger eben ganz anders als Viren, Bakterien oder Parasiten funktionieren. Unter anderem aus diesem Grund war bei der Erforschung der Prionen-Erkrankungen schon früh erkennbar, dass dazu die Arbeit mit nicht-menschlichen Primaten unumgänglich war. Schließlich sollte geklärt werden, ob diese ungewöhnliche Erkrankung überhaupt auf Primaten (und damit auch den Menschen) übertragbar war. 1966 bewiesen Daniel Carleton Gajdusek und Clarence Joseph Gibbs, dass CJK als Infektionskrankheit betrachtet werden muss: Sie infizierten Schimpansen und später auch weitere Affen wie Rhesusaffen und Javaneraffen mit der humanen Variante der spongiformen Enzephalopathie, indem sie Material aus dem Gehirn erkrankter Menschen auf die Tiere übertrugen. Das Gleiche gelang bei der Kuru-Krankheit (eine durch Kannibalismus innerhalb der Fore-Region auf Papua-Neuguinea auftretende Erkrankung).

Das Foto zeigt drei Javaneraffen am DPZ.
Unter anderem auf Javaneraffen (Macaca fascicularis) ist die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit übertragbar. Foto: Anton Säckl

Das Nagermodell wäre ein Misserfolg geworden: Ratten beispielsweise erkrankten nicht an dieser Erreger-Variante. Gajdusek erhielt 1976 den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung dieser neuartigen infektiösen Erreger. Zudem wurde auch die Erregerverteilung in den verschiedenen Organen der CJK-Patienten in Experimenten mit nicht-humanen Primaten bestimmt: Dabei stellte sich heraus, dass außer dem Gehirn auch Nervenwasser, Augen, Lunge, Leber, Niere Milz und Lymphknoten betroffen waren. Muskelgewebe, Blut und andere Bereiche des Körpers weisen jedoch keine Erreger auf. Solche Erkenntnisse sind notwendig, um den Verbreitungsweg des Erregers im Körper verstehen zu können und damit auch mögliche Ansatzpunkte für eine Bekämpfung des Problems zu identifizieren. Eine Möglichkeit, CJK zu diagnostizieren, besteht zum Beispiel im Nachweis von Krankheitsmarkern im Nervenwasser. Noch kann allerdings eine sichere Diagnose auch mit dieser Methode nicht vor dem Ausbruch der Krankheit gestellt werden.

Neue Variante – Übertragung durch Verzehr von Fleisch erkrankter Rinder

Die Gefahr, die darin liegt, dass Prionen-Erkrankungen noch immer relativ schlecht verstanden sind, zeigt sich auch am Beispiel der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK): Diese Variante der Krankheit bricht oft bei deutlicher jüngeren Patienten als üblich bei CJK aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie durch den Verzehr von Fleisch von BSE-Rindern auf den Menschen übertragen wird. In den 90er Jahren traten die ersten Fälle vor allem in Großbritannien auf, auch in anderen Ländern wie Frankreich oder den USA wurden mittlerweile Fälle verzeichnet. Die neue Variante vCJK ist sowohl auf Mäuse als auch auf Makaken übertragbar. Bei vCJK geht man zudem von einer genetischen Disposition der Patienten aus, die die Empfänglichkeit für die Infektion erhöht. Heute geht man außerdem davon aus, dass vCJK ebenfalls durch Bluttransfusionen zwischen Menschen übertragen werden kann, mindestens einen solchen Fall hat es 2004 in Großbritannien gegeben.

Erfolgreiche Prionen-Forschung am DPZ

Auch am DPZ sind in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe von erfolgreichen Arbeiten zur Erforschung von Prionen und Prionenerkrankungen auch auf der Basis von Tierversuchen mit Primaten angefertigt worden. Themen waren unter anderem das Infektionsrisiko und die Erforschung bestimmter regulatorischer Mikro-RNA für den Erhalt von Nervenzellen oder die Bedeutung endogener Retroviren (in die menschliche DNA eingebaute und vererbte Viren-Bestandteile) für die Entwicklung der Krankheit.

Forscher um Prof. Walter Bodemer haben am Deutschen Primatenzentrum Mitte der 90er Jahre auch mit Hilfe von Versuchen in nicht-menschlichen Primaten einige der ersten Antikörper gegen Prionen entwickelt. Auf diese geht ein um das Jahr 2000 in der großen europäischen BSE-Krise intensiv angewandter Schnelltest zurück. Antikörper sind ebenfalls Proteine, die in der Regel vom Immunsystem von Wirbeltieren als Reaktion auf bestimmte Stoffe gebildet werden und an diese Stoffe anbinden. BSE steht für Bovine Spongiforme Enzephalopathie und ist eine Prionenerkrankung, die vornehmlich bei Rindern auftritt. Auf der Grundlage der Antikörper-Forschung des DPZ brachte Bio-Rad 1999 den ersten Schnelltest für BSE auf den Markt. Mit dem Schnelltest können krankhafte Prion-Proteine in kurzer Zeit im Hirngewebe von geschlachteten Rindern festgestellt werden. In Deutschland wurden mit diesem und anderen Tests noch bis April 2015 alle über acht Jahre alten, gesund geschlachteten Rinder auf BSE kontrolliert. So sollte verseuchtes Fleisch nicht in den Handel kommen und damit Verzehr und in Folge mögliche Erkrankungen beim Menschen ausgeschlossen werden. Den letzten Fall gab es 2014. Unter anderem auch auf diesen Schnelltest geht sicher zurück, dass es in Deutschland bisher keine Fälle der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) gegeben hat.