Ein oft missverstandener Aspekt in der öffentlichen Diskussion über Tierversuche in der Forschung sind die jährlichen, offiziellen Versuchstierzahlen. Sämtliche Versuche, für die in Deutschland Wirbeltiere eingesetzt werden, müssen genehmigt und die Zahl der Tiere muss der zuständigen Landesbehörde gemeldet werden. Die Behörden übermittelten die Zahlen bis 2020 dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), das einmal im Jahr schließlich über die Gesamtzahlen informierte. Seit 2021 melden die zuständigen Behörden gem. § 1 Absatz 2 Versuchstiermeldeverordnung die Zahlen zu den verwendeten Versuchstieren dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die jüngsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2021 und wurden am 19. Dezember 2022 veröffentlicht. Die gesamte Versuchstierstatistik wird ab dem Jahr 2021 vom Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) veröffentlicht, das Teil des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist. Grundlage ist die im Mai 2021 geänderte Versuchstiermeldeverordnung. Ausführliche Informationen zu den Versuchstierzahlen 2021 finden Sie beim BfR.
In den vergangenen Jahren haben sich Medien und Tierversuchskritiker in der Regel darauf beschränkt, auf die als hoch empfundene Gesamtzahl hinzuweisen. Allerdings erfasst das Bundesinstitut Eingriffe von sehr unterschiedlicher Art und erst ein Blick aufs Detail ermöglicht es, die Versuchstierzahlen für Deutschland wirklich zu verstehen. Außerdem hilft der Vergleich der Versuchstierzahlen mit anderen Bereichen der Tiernutzung in Deutschland (zum Beispiel Lebensmittelproduktion), um zu verstehen, in welchem Verhältnis Tierversuche zur Gesamtheit dieser Tiernutzung stehen. Im Folgenden finden Sie Antworten auf diese Fragen:
- Wieso gibt es den permanenten Anstieg der Versuchstierzahlen nicht, von dem oft berichtet wird?
- Warum stellen nicht-menschliche Primaten nur ein Tausendstel aller Versuchstiere?
- Wieviele nicht-menschliche Primaten setzen Forscher am Deutschen Primatenzentrum für ihre Forschung ein?
- Wieviele Tiere werden in Deutschland außer in der Forschung genutzt und in welchen Bereichen?
Versuchstierzahlen - kein permanenter Anstieg

Sämtliche Versuche, für die in Deutschland Wirbeltiere eingesetzt werden, müssen genehmigt und die Zahl der Tiere muss der zuständigen Landesbehörde gemeldet werden. Diese Zahl macht allerdings nur einen Teil der jährlich in Deutschland als "Versuchstierzahlen" bezeichneten Tiermeldungen aus. Zu Tierversuchen im wissenschaftlichen Sinne kommen Eingriffe hinzu, die zur Herstellung von Produkten, Stoffen oder Organismen vorgenommen werden, zu Ausbildungszwecken oder die Entnahme von Gewebe oder Organen zur Verwendung in Alternativmethoden.
Eine Statistik über die Jahre 2009 bis 2021 zeigt, dass die Zahlen der in Deutschland eingesetzten Versuchstiere nur geringen Schwankungen unterliegen (Abbildung 1). In den vergangenen zehn Jahren wurden so jährlich zwischen 2,5 bis 3 Millionen Tiere eingesetzt. Im Jahr 2021 wurden 2.503.682 Tiere für wissenschaftliche Zwecke verwendet. In diese Zählung eingeschlossen sind 1.859.475 Tiere, die in Tierversuchen verwendet wurden, und 644.207 Tiere, die ohne Versuchseingriffe für wissenschaftliche Zwecke getötet wurden, also zum Beispiel zur Gewinnung von Zellen für Zellkulturen genutzt wurden.
Erstmals enthält die Statistik für 2021 auch Angaben über Tiere, die gezüchtet und getötet, aber nicht für wissenschaftliche Zwecke verwendet wurden. Dies waren weitere 2.554.560 Tiere. Bei Züchtungen für Tierversuche entstehen unvermeidbar Tiere, die nicht für die betreffenden Tierversuche geeignet sind. Zum Beispiel prägen bei Züchtungen nicht alle Tiere die gewünschten genetischen Merkmale aus („Mendelsche Regeln“). Solche biologischen Gesetzmäßigkeiten lassen sich nicht außer Kraft setzen und auch bei sorgfältiger Planung werden daher unausweichlich Tiere geboren, die durch die Zucht nicht alle gewünschten Eigenschaften tragen. Wissenschaftler*innen müssen folglich mehr Tiere züchten, als sie letztlich für die Tierversuchsstudien brauchen. Andere, nicht kontrollierbare Faktoren wie zum Beispiel die Wurfgröße, spielen ebenfalls eine Rolle.
Aufgrund der Anpassung des deutschen Tierschutzgesetzes an die EU-Direktive zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere hat sich die Zählweise der Versuchstiere 2014 verändert. So wurden bis einschließlich 2013 diejenigen Tiere erfasst, mit denen ein Versuch begonnen wurde, während die Tiere seit 2014 erst dann gemeldet werden, wenn der Versuch abgeschlossen ist. Dies führt dazu, dass einige Tiere in der Übergangszeit doppelt und sogar dreifach gezählt werden. Auch hat sich die Zählung der sogenannten transgenen Tiere geändert. So werden Zuchttiere nun teilweise mitgezählt. Das schlägt sich in einer höheren Versuchstierzahl nieder, ohne dass wirklich mehr Tiere zu Tierversuchen herangezogen wurden. Ein weiterer Unterschied betrifft die nicht-invasiven Untersuchungen, also zum Beispiel Verhaltensstudien. Diese werden nun in einigen Bundesländern mitgezählt, in anderen nicht.
Unter allen gezählten Versuchen sind auch solche, die sehr wenig belastend sind: Muss beispielsweise einem Rhesusaffen am DPZ Blut abgenommen werden, ist das meldepflichtig. Dabei sind die Tiere schmerzbetäubt und nehmen keinen dauerhaften Schaden.
Der Anteil aller Tierversuche, die der Grundlagenforschung zugerechnet werden, betrug 2021 1.037.931 (56%). Mäuse, Ratten und Fische sind mit einem Anteil von 93 Prozent weiterhin die mit Abstand am häufigsten eingesetzten Versuchstiere. Mit einer Gesamtzahl von 1.886 Tieren ist die Verwendung nicht-humaner Primaten 2021 im Vergleich zum Vorjahr (2.031) gesunken. Primaten werden zum großen Teil für gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsprüfungen von potentiellen Medikamenten und anderen Substanzen eingesetzt. Auch bei den Kaninchen ist der Anteil (ca. 3%) im Vergleich zu 2020 leicht abgesunken. Ebenso ist der Anteil an Vögeln (Haushühner und andere Vogelarten) mit rund 1% geringfügig gesunken. Im Jahr 2021 stieg die Anzahl der gemeldeten Tierversuche mit Hunden wieder um rund 4% (2020: 2.560 Versuche, 2021: 2.657 Versuche). Auch die Anzahl der Tierversuche mit Katzen stieg wieder deutlich im Vergleich zum Vorjahr (2020: 644 Versuche, 2021: 862 Versuche; Anstieg von rund 34%). Im Vergleich zum Jahr 2019 lässt sich jedoch ein Rückgang feststellen. So sank im Vergleich zum Meldejahr 2019 die Anzahl der Tierversuche mit Hunden um rund 25% und mit Katzen um rund 10% (Abbildung 2).
Der moderate Rückgang der Versuchstierzahlen bei einer weiterhin wachsenden biomedizinischen Forschung lässt erkennen, dass die biomedizinische Forschung immer sparsamer mit Versuchstieren umgeht. Sie leistet ihren Beitrag zu einem stetig wachsenden Forschungsfeld mit einem sinkenden Anteil an Versuchstieren. So steigen etwa allein die Ausgaben des Bundes für die Gesundheitsforschung seit dem Jahr 2010 jedes Jahr um durchschnittlich rund 6 Prozent. Die Pandemie hat nochmals zu einem drastischen Zuwachs bei den Forschungsausgaben des Bundes für die Gesundheitsforschung geführt, nach einem kontinuierlichen Anstieg in den Jahren davor. So stiegen die Ausgaben in 2020 um 33 Prozent auf rund 3,6 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. In 2021 erhöhten sich die Ausgaben nochmals auf 3,74 Milliarden Euro. Damit haben sich die Fördermittel des Bundes von 2010 und 2021 mehr als verdoppelt. Die Versuchstierzahlen hingegen zeigten keinen Zuwachs. (Bundesbericht Forschung und Innovation 2021).
Ein Grund dafür ist das international anerkannte 3R-Prinzip zur Reduktion der Versuche auf ein notwendiges Minimum. Dieser ethische Grundsatz wird in der Wissenschaft täglich gelebt, was sich auch in den stabilen Versuchstierzahlen bei wachsendem Forschungsumfang niederschlägt (Abbildung 3).
Nicht-menschliche Primaten - nur ein Tausendstel aller Versuchstiere
Nicht-menschliche Primaten stellen rund ein Tausendstel aller Versuchstiere in Deutschland (im Jahr 2021 waren es insgesamt 1.886 Tiere). Sie werden nur in Versuchen von großer wissenschaftlicher Bedeutung eingesetzt und wenn es weder eine Alternativmethode noch die Möglichkeit gibt, den Versuch mit einer geringer entwickelten Tierart durchzuführen.
Nicht-menschliche Primaten werden wie andere Versuchstiere auch eingesetzt, um schwere Krankheiten zu erforschen, für die medizinische Produktentwicklung oder um die Sicherheit von Medikamenten, Inhaltsstoffen oder medizinischen Produkten zu testen.
Auf biologische Grundlagenforschung, wie sie die Wissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum betreiben, entfielen 2021 davon nur gut 3 Prozent (55 Tiere, siehe Abbildung 4). 90 Prozent dieser in Deutschland verwendeten nicht-menschlichen Primaten (1.705) hingegen kamen zum Einsatz, weil der Gesetzgeber es zwingend vorschreibt: Sie dienen der Giftigkeits- oder anderen Sicherheitsprüfung von Produkten, die Menschen verwenden. Solche Tests sind nicht Teil der Forschung des Deutschen Primatenzentrums.

Die Zahlen der nicht-menschlichen Primaten (sowohl Altwelt- als auch Neuweltaffen), die am Deutschen Primatenzentrum pro Jahr für die biologische Grundlagenforschung eingesetzt werden, variieren und sind abhängig von den jeweiligen Projekten und wissenschaftlichen Fragestellungen. In der Regel bewegten sich die Zahlen in den vergangenen Jahren in der Größenordnung um 100 bis 250 Tiere. Sehr unterschiedliche Forschungsprojekte, die sich aus dem breitem Themenspektrum des Instituts ergeben, machen diese notwendig. Es handelte sich dabei zuletzt zum Beispiel um Projekte aus der Infektionsforschung (zum Beispiel HIV-Impfstoffe) als auch aus der Neurowissenschaft (Entwicklung von Neuroprothesen).
Versuchstierzahlen verglichen mit Zahlen anderer Tiernutzung
Stellt man den etwa 2,5 Millionen wissenschaftlichen Eingriffen an Wirbeltieren die jährliche Fleischproduktion in Deutschland, die bei der Jagd getöteten Tiere gegenüber (siehe Abbildung 5), so relativieren sich die Zahlen schnell.
Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) wurden im Jahr 2021 in Deutschland mehr als 55 Millionen Schweine, Rinder, Schafe etc. und über 700 Millionen Geflügeltiere geschlachtet. Im Laufe eines Lebens isst jeder Deutschen im Durchschnitt mehr als 700 Hühnchen, es werden für ihn aber nur zwei Mäuse für biomedizinische Forschung verwendet. Rein statistisch würden bei stabilen Versuchszahlen für jeden Deutschen im Laufe seines Lebens übrigens 0,0017 nicht-menschliche Primaten in Versuchen eingesetzt.
Sogar im alltäglichen Straßenverkehr tötet jeder Deutsche statistisch betrachtet deutlich mehr Tiere, als nicht-humane Primaten für die tierexperimentelle Forschung eingesetzt werden: Allein die offiziellen Wildunfälle mit Wildschweinen, Rehen oder Hirschen, die der Deutsche Jagdverband zusammengetragen hat, belaufen sich für die Saison 2020/2021 auf über 226.000 Tiere - die geschätzte Dunkelziffer ist etwa fünfmal so hoch. Schließlich melden längst nicht alle Unfallfahrer einen Tierunfall. Unfälle mit so kleinen Tieren wie Kaninchen, Nagetieren und Vögeln werden außerdem nicht einmal geschätzt.
Quellen der Zahlen:
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Links
Kompass Tierversuche

Der "Kompass Tierversuche" ist eine Informationsbroschüre, die Zahlen, Daten, Fakten sowie relevante Zusatzinformationen und anschaulich aufbereitete Grafiken rund um das Thema Tierversuche zusammenfasst. Das Heft wurde von der Initiative "Tierversuche verstehen" 2021 zum ersten Mal herausgegeben und wird künftig jährlich erscheinen.
Versuchstierzahlen 2021 nach Bundesländern

Hier finden Sie ein Fact Sheet der Initiative der deutschen Wissenschaft „Tierversuche verstehen“ mit Versuchstierzahlen 2021 für gesamt Deutschland sowie für die einzelnen Bundesländer.
Weitere Informationen unter:
Pressemitteilung von Tierversuche verstehen
Versuchstierzahlen 2021 des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR)
Anzahl erlegter Tiere 2020/2021 des Deutschen Jagdverbandes
Statistik zu Wildunfällen 2020/2021 des Deutschen Jagdverbandes
Fleischatlas 2021 (BUND), Daten über Tiere als Nahrungsmittel
Weitere Zahlen und Fakten zu Tierversuchen
Informationen zur Belastung von Tierversuchen