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Stereologische Untersuchungen am Dünndarm von Mastgeflügel und Schweinen nach Fütterung von Insekten oder Mikroalgen als alternative Proteinquellen

Eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit zunehmend steigendem Lebensstandard führt zu einer erhöhten Nachfrage von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft, insbesondere Fleisch. Gleichzeitig sind die Expansionskapazitäten für Viehwirtschaft stark limitiert, insbesondere was die Produktion und Bereitstellung ausreichender Futtermittel betrifft. Um teure und in der Herstellung aufwendige Importproteinträger wie Sojaextraktionsschrot (SES) zu ersetzen, erlangen alternative Proteinquellen zunehmend an Bedeutung in der Tierernährung. Als Teil eines interdisziplinären und vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderten Projektes „Sustainability transitions in food production: alternative protein sources from a socio-technical perspective“ werden in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Tierernährungsphysiologie der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen die Effekte eines Austausches von SES mit teilentfettetem Larvenmehl der schwarzen Soldatenfliege (Hermetia Illucens) oder dem Mehl der blau-grünen Mikroalge (Spirulina platensis) im Futter auf die morphologischen Eigenschaften der Dünndarmschleimhaut anhand stereologischer Methoden untersucht.

Im Rahmen umfangreicher Fütterungsstudien bei Broilern und Mastschweinen werden unterschiedliche Austausch-Level (50%, 75%, 100%) mit zusätzlich basaler oder erweiterter Aminosäure-Supplementierung getestet. Für die stereologischen Analysen werden die drei Dünndarmabschnitte (Duodenum, Jejunum, Ileum) nach einem systematisch einheitlich zufälligen System (SURS: systematic uniform random sampling) auf makroskopischer und mikroskopischer Ebene beprobt und ausgewertet. Dabei werden beispielsweise als Ausdruck für die funktionale Absorptionsoberfläche die primäre Schleimhautoberfläche (Spm), der Zottenvergrößerungsfaktor (Ss(v,pm)) und die daraus resultierende Zottenoberfläche (Sv) bestimmt. Das stereologisch ermittelte Epithelvolumen und dessen Zotten/Krypt-Verhältnis (Vve/Vce) liefern außerdem wertvolle Informationen zur Zellumsatzrate und als indirektes Maß für die Epithelhöhe kann das Verhältnis von Zottenepithelvolumen zur Zottenoberfläche (Vvve/Svv) herangezogen werden. Als Ausdruck für Becherzellmenge bzw. Muzinsekretion dient außerdem das stereologisch ermittelte Verhältnis von Muzinvolumen zur epithelialen Basalmembranoberfläche (Vvgc/Svbm). Auch die Menge proprialer Entzündungszellen oder Proliferations- bzw. Apoptose-Indizes des Schleimhautepithels können anhand stereologischer Methoden quantifiziert werden, so dass insgesamt eine umfangreiche funktional-morphologische Charakterisierung der Darmschleimhaut möglich ist.

Erste Ergebnisse zeigen, dass der Austausch von 50% SES durch Mehl von Hermetia illucens oder Spirulina platensis mit basaler Aminosäure-Supplementierung keine schädlichen Einflüsse auf Dünndarmschleimhaut und Tiergesundheit haben. Insbesondere die Fütterung von Algenmehl führt jedoch bei Masthähnchen zu einer signifikanten Vergrößerung der primären Schleimhautoberfläche in allen drei Darmabschnitten bei gleichzeitig erhöhtem Pankreasgewicht und signifikant vergrößerter Zottenoberfläche im Duodenum, was auf eine eher ungünstige Proteinzusammensetzung und Aminosäurebilanz des Futters mit Beeinträchtigung der Verdaulichkeit hinweist. Zusammen mit der beobachteten herabgesetzten Futteraufnahme bei Algenfütterung kann es daher zu deutlichen Leistungseinbußen kommen. Diese nachteiligen Effekte können wahrscheinlich durch eine erweiterte und bedarfsangepasste Aminosäureergänzung ausgeglichen werden, was derzeit in laufenden Studien überprüft wird. Außerdem scheint die Fütterung von Insektenmehl bei Masthähnchen einen positiven Einfluss auf die Immunabwehr der Darmschleimhaut zu haben, da in allen Dünndarmabschnitten eine verminderte Muzinsekretion zu beobachten ist. Derartige Effekte auf die Darmgesundheit werden in weiteren Experimenten noch eingehender untersucht.

Insgesamt eignet sich die Stereologie sehr gut zur morphologischen Untersuchung des Darmes, insbesondere im Rahmen von Fütterungsversuchen, und liefert umfassende, dreidimensionale und unverzerrte Ergebnisse, die herkömmlichen zweidimensionalen morphometrischen Untersuchungen deutlich überlegen sind.

Relevante Literatur:

Einfluss von Insektenmehl (Hermetia illucens) und Mikroalgenmehl (Spirulina platensis) als alternative Proteinquellen auf Wachstumsparameter und Schleimhautmorphologie des Dünndarms für beim Absatzferkel (PPT)

Einfluss von Insekten- (Hermetia illucens) und Mikroalgenmehl (Spirulina platensis) als alternative Proteinquellen auf Wachstumsparameter und Schleimhautoberfläche des Dünndarms von Absatzferkeln.

Gastro intestinal effects of partly defatted insect meal (Hermetia illucens) and micro algae meal (Spirulina platensis) as substitute for soybean meal in mixed diets for meat type chicken.(Poster)

Effects of a partly defatted insect meal (Hermetia illucens) or micro algae (Spirulina platensis) in mixed diets on intestinal mucosal surface and mucin secretion of meat type chicken.(Abstract)

Effects of partly defatted insect meal (Hermetia illucens) or micro algae (Spirulina platensis) in mixed diets on intestinal mucosal surface and mucin secretion of meat type chicken (Poster)

Effects of 50 Percent Substitution of Soybean Meal by Alternative Proteins from Hermetia illucens or Spirulina platensis in Meat-Type Chicken Diets with Graded Amino Acid Supply (Publikation)

 

Dr. Eva Gruber-Dujardin Fachtierärztin für Pathologie +49 551 3851-127 Kontakt Profil

Histologische Schnittpräparate des Schweinedarms (Jejunum): 1 Zotte; 2 Krypten; 3 Blut- und Lymphgefäße; 4 Tela submucosa mit Plica circularis; 5 Tunica muscularis, Stratum circulare; 6 Tunica muscularis, Stratum longitudinale; 7 Tunica serosa; 8 Becherzelle; 9 Lamina propria mucosae; rote Linie am Übergang Zottenbasis/Kryptöffnung entspricht der sekundären Schleimhautoberfläche (Ssm); schwarze Linie an der Grenze zur Muskelschicht entspricht der primären Schleimhautoberfläche (Spm), PAS-Reaktion (Quelle: Masterarbeit Johannes Mast, Georg-August-Universität Göttingen, 2017).
Zählrahmen über einem vertikalen histologischen Sichtfeld aus dem Ileum eines Masthähnchens zur stereologischen Bestimmung des Zottenvergrößerungsfaktors Ss(v,pm) anhand von Zykloiden (grün). Gelb: Schnittpunkte mit der Zottenoberfläche; Orange: Schnittpunkte mit der primären Schleimhautoberfläche Spm (rote Linie), H&E-Färbung (Quelle: DPZ).
Vertikales histologisches Sichtfeld der Dünndarmschleimhaut eines Masthähnchens zur stereologischen Bestimmung des Muzinvolumens im Verhältnis zur Basalmembranoberfläche. Hierfür werden die Schnittpunkte der Zykloide (grün) mit der Basalmembran des Zottenepithels (Pfeile) sowie deren Endpunkte, die auf eine Muzinvakuole treffen (Kreis), erfasst, PAS-Reaktion (Quelle: DPZ).