Kein starrer Ausstiegsplan bei Tierversuchen
Ein EU-weites Verbot von Tierversuchen noch vor Ende der laufenden EU-Wahlperiode zu erreichen, war das Ziel der europäischen Bürgerinitiative „Für den Schutz kosmetischer Mittel ohne Tierquälerei und ein Europa ohne Tierversuche“ („Save Cruelty Free Cosmetics“). Da innerhalb eines Jahres europaweit mehr als eine Million Unterschriften gesammelt wurden, hat sich die Europäische Kommission mit den Forderungen der Bürgerinitiative befasst und am 25. Juli 2023 auf die Forderungen der Petition geantwortet. Verschiedene Wissenschaftsorganisationen hatten im Vorfeld auf die Konsequenzen der Forderungen für die Leistungsfähigkeit der biomedizinischen Forschung und letztendlich für die Gesundheit der Menschen in Europa hingewiesen.
In Europa soll es keinen wissenschaftsfernen Ausstiegsplan mit einem starren Zieldatum für das Ende von Tierversuchen geben. Diese Position vertritt die EU-Kommission in ihrer Antwort auf die Europäische Bürgerinitiative „Save Cruelty Free Cosmetics“. Dabei kam die Kommission den Initiatoren bei deren Kernforderungen unterschiedlich weit entgegen. Die Kommission hält damit weiter an der geltenden Tierversuchs-Richtlinie 2010/63 und ihrer bisherigen Position fest und hält eine Gesetzesinitiative nicht für den richtigen Weg zum Ausstieg aus biomedizinischen Tierversuchen.
Um Tests zur Sicherheitsbewertung von Chemikalien schneller auf tierversuchsfreie Methoden umzustellen, versprach sie, gemeinsam mit der EU-Chemikalienbehörde ECHA und anderen relevanten Einrichtungen einen geforderten Fahrplan vorzulegen, der mittelfristig zu einem Ende von Tierversuchen für regulatorische Zwecke führen soll. Für die Forschung, etwa in Biologie und Medizin, wird es aber keine festen Meilensteine oder Deadlines für ein Ende aller Tierversuche geben.
Die Petiton hatte unter anderem gefordert, einen Ausstiegsplan für alle Tierversuche zu entwickeln, mit konkreten Enddaten und Meilensteinen. Dieser Forderung hat die Kommission nun klar widersprochen. Anders als bei den sehr standardisierten Chemikalientests könne man etwa in der vielgestaltigen Grundlagenforschung nicht vorhersagen, wann Alternativmethoden verfügbar sein werden und welche Versuche sich wie ersetzen lassen. Dazu müsse der wissenschaftliche Fortschritt abgewartet werden. Ein starrer Fahrplan mit konkreten Daten und Meilensteinen sei daher unmöglich. Vielmehr wolle man bisherige Anstrengungen im Sinne der geltenden Richtlinie 2010/63/EU verstärken. Diese sieht zum Beispiel vor, mithilfe des 3R-Prinzips Tierversuche nur dort zu erlauben, wo es noch keine Alternativen gibt, die Zahl der Tiere durch gute Versuchsplanung zu reduzieren und die Versuche im Sinne der Tiere immer weiter zu verbessen, damit diese zu weniger Belastung führen und gleichzeitig mehr und bessere Erkenntnisse liefern. Auch in der Ausbildung von Wissenschaftler*innen werde man noch mehr dafür tun, das breite Methodenspektrum der Lebenswissenschaften besser zu vermitteln und mehr Tierschutzpraxis in die Ausbildung bringen. Ebenso werde man bisherige Förderprogramme für die Entwicklung neuer Methoden und alternativer Verfahren weiterführen und ausbauen.
„Die EU ist mit den Forderungen der Bürgerinitiative verantwortungsbewusst umgegangen. Sie erkennt an, dass Tierversuche in der Grundlagenforschung noch nicht ersetzbar sind. Ein fester Termin für den Ausstieg aus Tierversuchen in Europa hätte unabsehbare Folgen für die Gewinnung von grundlegenden Erkenntnissen gehabt. Er würde den Wissenschaftsstandort Europa zudem nachhaltig schwächen. Dort wo es sinnvoll und möglich ist, wird nach zeitnahen Lösungen gesucht, aber dort wo es noch keine Alternativen gibt, hat die EU klare Position bezogen“, sagte die stellvertretende Sprecherin der Initiative Tierversuche verstehen, Olivia Masseck.