Das Aussterben von Arten ist ein natürlicher Vorgang, der sich zu einem gewissen Grad ständig ereignet. Die Geschwindigkeit aber, mit der heutzutage Tier- und Pflanzenarten aussterben, liegt weit über dem normalen Maß. Ein solches Phänomen bezeichnet man als Massenaussterben. In der Erdgeschichte hat es immer wieder solche Zeiten gegeben. Bekannt ist vor allem das große Massenaussterben vor 65 Millionen Jahren, dem fast alle Saurier zum Opfer gefallen sind. Während dies früher aufgrund natürlicher Katastrophen (Asteroideneinschläge, Klimaveränderungen) geschah, ist das heutige Massenaussterben auf den Menschen zurückzuführen. Die explosionsartige Vermehrung der menschlichen Bevölkerung und die damit einhergehende Übernutzung der natürlichen Ressourcen führen dazu, dass sehr vielen Arten ihre Lebensgrundlage entzogen wird (Kolbert 2015). Die nicht-menschlichen Primaten sind davon in besonderem Maße betroffen, da sie in Regionen leben, in denen das Bevölkerungswachstum besonders hoch ist und die durch politische Instabilität und Armut geprägt sind (Estrada et al. 2017).
Die Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature, kurz IUCN) evaluiert für ihre „Rote Liste der bedrohten Arten“ die verfügbaren Daten möglichst vieler Tier- und Pflanzenarten. Von den rund 500 bekannten nicht-menschlichen Primatenarten konnten bisher zwei Drittel evaluiert werden. Von diesen mussten 62 Prozent als bedroht eingestuft werden. Rund 14 Prozent gelten sogar als unmittelbar vom Aussterben bedroht. Lokale Schwerpunkte der Bedrohung liegen in Madagaskar und der südostasiatischen Region. Auf Madagaskar sind 94 Prozent der dort lebenden Lemuren bedroht, fast ein Viertel steht sogar kurz vor dem Aussterben. In Asien sind 82 Prozent der Primaten bedroht, darunter auch die drei Orang-Utan-Arten. Damit sind alle Menschenaffen – mit Ausnahme des Menschen – bedroht, denn auch die Gorillas und Schimpansen Afrikas sowie die Gibbons Süd- und Südostasiens stehen als stark gefährdet beziehungsweise vom Aussterben bedroht auf der Roten Liste (IUCN 2016). Offiziell ist in den letzten 100 Jahren noch keine Primatenart ausgestorben. Allerdings wurden Miss Waldron Stummelaffen (Piliocolobus waldronae) seit 20 Jahren nicht mehr gesichtet und die Population der Hainan-Schopfgibbons (Nomascus hainanus) beläuft sich auf gerade einmal 30 Individuen.
Hauptbedrohungsfaktor für die meisten Primatenpopulationen ist die Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums. Dieser wird in erster Linie in Agrarland zum Anbau von Nutzpflanzen oder zu Weide für die Viehzucht umgewandelt. Kommen die Primaten dann nur in einem relativ kleinen umgrenzten Gebiet vor, wie es beispielsweise bei vielen Lemuren auf Madagaskar der Fall ist, dann genügt oft die Abholzung eines einzigen Waldes, um eine Art in Bedrängnis zu bringen. Dabei ist es nicht immer der Nahrungsbedarf in den Herkunftsländern, der mit diesen Flächen gedeckt werden soll, sondern zum Beispiel auch der Bedarf der Industrieländer an billigem Palmöl und Viehfutter auf Sojabasis. Darüber hinaus werden viele tropische Wälder zur Gewinnung von Edel- und Nutzhölzern abgeholzt. Trotz des wachsenden Bewusstseins, sind auch hierzulande tropische Edelhölzer immer noch ein begehrtes Material, beispielsweise für Terrassenböden und Möbel.
Neben der wirtschaftlichen Ausbeutung ihres Lebensraums ist auch die direkte Bejagung ein Grund für sinkende Primatenzahlen. In vielen armen, häufig von Bürgerkriegen zerstörten Ländern stellen Wildtiere oft die einzige Proteinquelle dar, so dass manche Wälder geradezu leer geschossen sind. So ist die Population des Östlichen Flachlandgorillas (Gorilla beringei graueri) in der Demokratischen Republik Kongo in nur einer Generation um 77 Prozent reduziert worden.
Aber auch in Schwellenländern, wie Brasilien, ist der Jagddruck auf Primaten immer noch hoch. So führen der Abbau von Bodenschätzen und die damit einhergehende Erschließung entlegener Regionen, in der Regel unweigerlich zur Bejagung der Wildtiere in der Umgebung. Ebenso ist der Handel mit Primaten als Haustiere immer noch ein lukratives Geschäft und in vielen Gegenden Südostasiens werden Primatenprodukte in der traditionellen Medizin verwendet (Schwitzer et al. 2017). Die Bedrohungsfaktoren sind vielfältig und es wird keine einfache Lösung für das Problem schwindender Primatenpopulationen geben. Aber es ist klar, dass es nicht ausschließlich ein Problem der Herkunftsregionen ist und dass sich auch die Industrieländer Gedanken darüber machen müssen, was ihnen der Schutz unserer biologisch nächsten Verwandten wert ist (Estrada et al. 2017).
Literatur
Kolbert E (2015): Das Sechste Sterben: Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt. Berlin, Suhrkamp.
Estrada A, Garber PA, Rylands AB, Roos C, Fernandez-Duque E, Di Fiore A, Nekaris KA-I, Nijman V, Heymann EW, Lambert JE, Rovero F, Barelli C, Setchell JM, Gillespie TR,l Mittermeier RA, Verde Arregoitia L, de Guinea M, Gouveia S, Dobrovolski R, Shanee S, Shanee N, Boyle SA, Fuentes A, MacKinnon KC, Amato KR, Meyer ALS, Wich S, Sussman RW, Pan R, Kone I, Li B (2017): Impending extinction crisis of the world’s primates: Why primate matter. Science Advances 3: e1600946.
International Union for Conservation of Nature (2016): IUCN Red List of Threatened Species. Version 2015-4. Frei verfügbar unter: http://www.iucnredlist.org/
Schwitzer C, Mittermeier RA, Rylands AB, Chiozza F, Williamson EA, Wallis J, Cotton A (2017): Primates in Peril: The World’s 25 Most Endangered Primates 2016-2018. IUCN SSC Primate Specialist Group (PSG), International Primatological Society (IPS), Conservation International (CI), and Bristol Zoological Society, Arlington. Frei verfügbar unter: http://www.primate-sg.org/