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Einem großen Mysterium auf der Spur

Wie kamen die Paviane ins Alte Ägypten?
Das erste sequenzierte mitochondriale Genom eines mumifizierten Affen verbindet einen ägyptischen Pavian, der auf zirka 800 bis 540 vor unserer Zeitrechnung datiert wird, mit modernen Pavianpopulationen in Eritrea, Äthiopien und dem östlichen Sudan. Es liefert damit Belege für den Handel zwischen Ägypten und Adulis Jahrhunderte vor den bisherigen archäologischen Nachweisen. Abbildung: Illustration © 2023 by Mike Costelloe is licensed under CC BY-NC-ND 4.0
Dr. Dietmar Zinner ist leitender Wissenschaftler in der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Jana Wilken
Dr. Dietmar Zinner ist leitender Wissenschaftler in der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Jana Wilken
Dr. Gisela Kopp, Leiterin der Studie, ist Mitglied des Zukunftskollegs der Universität Konstanz und affiliiert mit dem Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie Foto: Universität Konstanz/Ulrike Sommer
Dr. Gisela Kopp, Leiterin der Studie, ist Mitglied des Zukunftskollegs der Universität Konstanz und affiliiert mit dem Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie Foto: Universität Konstanz/Ulrike Sommer
Prof. Christian Roos ist leitender Wissenschaftler in der Abteilung Primatengenetik am DPZ. Foto: Karin Tilch
Prof. Christian Roos ist leitender Wissenschaftler in der Abteilung Primatengenetik am DPZ. Foto: Karin Tilch

Ein interdisziplinäres Forschungsteam, an dem auch Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums beteiligt waren, hat mittels genetischer Analysen nach dem geografischen Ursprung der Paviane im Alten Ägypten gesucht und Hinweise gefunden, dass die beiden legendären Handelsregionen Punt und Adulis möglicherweise ein und denselben Ort bezeichneten.

Im Alten Ägypten wurden verschiedene Gottheiten durch Tiere repräsentiert. So wurde Thot, der Gott für Gelehrsamkeit und Weisheit, durch einen Mantelpavian verkörpert. Aus diesem Grund wurden in Ägypten Paviane gehalten, von denen einige nach ihrem Tod als Opfergaben mumifiziert wurden. Heute gibt es in Ägypten keine freilebenden Paviane, und nichts deutet darauf hin, dass es diese Primaten im alten Ägypten in freier Wildbahn gab. Unter der Leitung der Konstanzer Primatologin Gisela Kopp gingen die Forschenden im Rahmen eines interdisziplinären Projekts aus Biologie, Ägyptologie und Anthropologie der Frage nach, wie und woher die Paviane nach Ägypten gelangt sind. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals eLife erschienen.

Genetische Analysen weisen auf den geografischen Ursprung der Paviane hin

Um der Gottheit Thot zu huldigen, wurden Paviane vermutlich aus weit entfernten Regionen importiert und im Land auch über mehrere Generationen in Gefangenschaft gehalten. Wie Untersuchungen von Skeletten belegen, wurden ihnen die gefährlichen Eckzähne entfernt. Zur Bestimmung des geografischen Ursprungs der Paviane nutzten die Forschenden genetische Analysen. Anhand des mitochondrialen Genoms der Tiermumien lässt sich die Region bestimmen, aus der die Tiere ursprünglich stammten. Die Verbreitung der genetischen Diversität der Paviane über den gesamten afrikanischen Kontinent ist gut erforscht.

Die genetischen Analysen der Paviangenome wurden unter der Leitung von Dietmar Zinner, Abteilung Kognitive Ethologie und Christian Roos, Abteilung Primatengenetik, am DPZ gemacht. Da von einer großen Zahl von Pavianen aus vielen Gebieten in Afrika und Arabien genetische Informationen am DPZ vorliegen, konnten die Wissenschaftler die Mumiengenetik mit diesen Daten vergleichen und so herausfinden, wo heute noch die Nachkommen des mumifizierten Pavians leben. Aus dieser Information konnten sie schließen, dass auch der mumifizierte Pavian sehr wahrscheinlich aus der entsprechenden Region kam.

„Nur mit Hilfe von genetischen Daten, die von Populationen aus allen Bereichen des Verbreitungsgebiets einer Art stammen, können geographische Ursprünge von lebenden und toten Individuen geklärt werden. Glücklicherweise konnten wir am DPZ diese genetischen Daten zur Untersuchung der Pavianmumie beitragen“, sagt Dietmar Zinner.

Eine Vergleichsprobe verweist auf Adulis

Ein Kooperationspartner der Studie, der Anthropologe Nathaniel Dominy vom Dartmouth College in den USA, hatte zuvor bereits eine geografische Zuordnung antiker Paviane mittels stabiler Isotopen unternommen. Mit dieser Methode chemischer Signaturen lässt sich unterscheiden, wo die Tiere geboren wurden und wo sie aufgewachsen sind. Die 2020 erschienene Studie konnte die Herkunftsregion der Paviane in Ägypten am Horn von Afrika festmachen. Mithilfe der genetischen Analyse, die darüber hinaus feststellen kann, wo die Tiere und ihre Vorfahren ursprünglich herkamen, konnte der Befund auf einen gut abgegrenzten Bereich von Eritrea und angrenzende Gebiete präzisiert werden. Eine Vergleichsprobe, die der genetischen Variante der Mumienprobe am ähnlichsten war, stammt aus der Küstenregion in Eritrea, wo sich in der Antike vermutlich der wichtige Hafen Adulis befand. Aus antiken Texten ist er bekannt als Umschlagplatz für Luxusgüter und Tiere.

Die Mumienprobe, die der Studie zugrunde liegt, wurde 1905 im „Tal der Affen“ ausgegraben und befindet sich heute im Musée des Confluences in Lyon. Sie wird auf einen Zeitraum zwischen 800 und 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert und fällt damit in die Spätzeit des Alten Ägypten. Dies ist lange vor der Blütezeit von Adulis als wichtigem Umschlagsplatz und Hafenstadt.

In frühen historischen Texten wird als Ursprungsort der Paviane hingegen Punt genannt, eine sagenumwobene Region, aus der Ägypten über mehrere Jahrhunderte, bis in das frühe erste Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, Luxusgüter importierte. Die genaue Lage Punts ist allerdings unbekannt. „In der Ägyptologie wird schon lange über Punt gerätselt, auch weil es von einigen Wissenschaftler*innen als früher maritimer Zweig weltweiter Handelsnetzwerke und so als Beginn der wirtschaftlichen Globalisierung gesehen wird“, so Gisela Kopp.

Die ägyptologische Expertise ermöglichte die Verbindung von Punt zu Adulis

Die Region Punt ist für die Zeit, aus der die Mumienproben stammen, in antiken Abbildungen und Texten belegt. Es war die ägyptologische Expertise im Kooperationsprojekt, die dann die Verbindung von Punt zu Adulis ermöglichte. „Die von uns untersuchte Probe passt zeitlich zu den letzten bekannten Expeditionen nach Punt, geografisch passt sie zu Adulis, das allerdings erst einige Jahrhunderte später als Handelsposten, auch für Affen, belegt ist. Wir stellen die Hypothese auf, dass Punt und Adulis unterschiedliche Bezeichnungen des gleichen Ortes zu unterschiedlichen Zeiten waren“, so Gisela Kopp. Und: „Erst als wir unsere biologischen Resultate in den Kontext der historischen Forschung stellten, wurde eine stimmige Geschichte daraus.“

In der Biologie selbst ist der Befund ein wissenschaftlicher Durchbruch, da das erste Mal erfolgreich alte DNA aus mumifizierten Affen analysiert wurde. Dies eröffnet die Möglichkeiten, zum Beispiel die Auswirkungen von Mensch-Wildtier-Interaktionen auf die genetische Diversität oder die Übertragung von Krankheiten zu untersuchen. Die Kontakte der alten Ägypter mit exotischen Tieren sind frühe Belege für intensive Interaktionen zwischen Wildtieren und Menschen. Die massenhafte Mumifizierung verschiedener Tierarten und auch unterschiedlicher Affen ist eine sehr außergewöhnliche Kulturpraxis.

Auch die bildlichen und künstlerischen Darstellungen von Pavianen sind seit der Antike nur aus Ägypten überliefert. Was diese Primaten in den Augen der Menschen damals auszeichnete, dass sie in den Rang eines Repräsentanten der Gottheit Thot erhoben wurden, ist nicht bekannt. Bevölkerungen, die mit Pavianen leben, schätzen die Tiere hingegen normalerweise nicht sehr. Für sie waren und sind sie eine Plage, die die Felder verwüsten.

Originalpublikation

Franziska Grathwol, Christian Roos, Dietmar Zinner, Benjamin Hume, Stéphanie M Porcier, Didier Berthet, Jacques Cuisin Stefan Merker, Claudio Ottoni, Wim Van Neer, Nathaniel J. Dominy, Gisela H. Kopp: Adulis and the transshipment of baboons during classical antiquity. eLife 12:e87513. DOI: doi.org/10.7554/eLife.87513