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Wer schlauer ist, lebt länger

Mausmakis, die in Kognitionstests besser abschneiden, leben länger
Ein Grauer Mausmaki wird aus einer Falle wieder in den Wald entlassen. Foto: Johanna Henke-von der Malsburg
Dr. Claudia Fichtel, Wissenschaftlerin in der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung. Foto: Privat
Dr. Claudia Fichtel, Wissenschaftlerin in der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung. Foto: Privat
Ein drei Wochen alter grauer Mausmaki (Microcebus murinus) in einer künstlichen Nestbox. Foto: Elise Huchard
Ein drei Wochen alter grauer Mausmaki (Microcebus murinus) in einer künstlichen Nestbox. Foto: Elise Huchard

Schlau sein zahlt sich aus, da bessere kognitive Fähigkeiten zu ausgewogeneren Entscheidungen führen können. Es ist jedoch noch weitgehend unerforscht, wie diese Fähigkeiten im Verlauf der Evolution entstanden sind. Nur wenn schlauere Individuen eine höhere Überlebens- und Fortpflanzungsrate als ihre Artgenossen haben, können sich verbesserte kognitive Fähigkeiten allmählich durchsetzen. Wissenschaftler*innen vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung haben nun den Zusammenhang zwischen geistigen Fähigkeiten und Überlebensrate bei Grauen Mausmakis untersucht. Dazu haben sie die Tiere eingefangen, verschiedenen Kognitions- und Persönlichkeitstests unterzogen, sie gewogen und anschließend wieder freigelassen. Es stellte sich heraus, dass die Tiere, die in den Kognitionstests am besten abgeschnitten haben, eine längere Lebensdauer aufwiesen. Doch auch diejenigen, die schwerer waren und ein ausgeprägtes Erkundungsverhalten zeigten, erreichten ein höheres Lebensalter. Dies deutet daraufhin, dass verschiedene Strategien zu einem längeren Leben führen können.

Kognitive Fähigkeiten variieren nicht nur zwischen verschiedenen Arten, sondern auch zwischen Individuen einer Art. Es ist zu erwarten, dass schlauere Individuen länger leben, da sie vermutlich bessere Entscheidungen bei Nahrungswahl, Feindvermeidung oder Jungenaufzucht treffen können. Forscher*innen vom Deutschen Primatenzentrum haben in einer Langzeitstudie auf Madagaskar untersucht, welche Faktoren die Lebenserwartung von wildlebenden Grauen Mausmakis beeinflussen. Dabei haben sie mit 198 Tieren vier verschiedene Kognitionstests und zwei Persönlichkeitstests durchgeführt, sie gewogen und ihre Überlebensrate über mehrere Jahre verfolgt. Die Kognitionstests umfassten Problemlösung (die Tiere sollten Futter erreichen, indem sie einen Schieber betätigen), räumliches Erinnern (die Tiere sollten sich merken, wo das Futter versteckt war), Impulskontrolle (die Tiere mussten einen Umweg nehmen, um an das Futter zu gelangen) und das Verständnis von Zusammenhängen (das Tier konnte das Futter nur erreichen, wenn es an einem Faden zog). Im ersten Persönlichkeitstest ging es um Erkundungsverhalten und im zweiten um Neugier, indem die Reaktion auf unbekannte Objekte beobachtet wurde.

Entweder besonders schlau oder besonders erkundungsfreudig zu sein, sind vermutlich unterschiedliche Strategien, die zu einer längeren Lebensdauer führen können

Die Studie ergab, dass Individuen, die in den Kognitionstests am besten abgeschnitten haben, weniger Erkundungsverhalten zeigten als ihre weniger schlauen Artgenossen. Stattdessen wiesen erkundungsfreudigere Tiere ein höheres Gewicht auf, da sie vermutlich leichter Nahrung finden konnten. Eine hohe Lebenserwartung wurde sowohl bei Tieren mit besseren kognitiven Leistungen, als auch bei Tieren mit höherem Gewicht und stärkerem Erkundungsverhalten beobachtet. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass schlau zu sein oder eine gute körperliche Kondition und erkundungsfreudiges Verhalten vermutlich unterschiedliche Strategien darstellen, die zu einer längeren Lebensdauer führen können“, sagt Claudia Fichtel, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin am Deutschen Primatenzentrum. „In zukünftigen Studien wollen wir untersuchen, wie sich kognitive Fähigkeiten in Verhaltensstrategien bei der Nahrungs- oder Partnersuche umsetzen.“

Originalpublikation

Fichtel C, Henke-von der Malsburg J, Kappeler PM (2023) Cognitive performance is linked to fitness in a wild primate. Science Advances, DOI 10.1126/sciadv.adf9365